In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Samstag, 7. Dezember 2013

... noch immer hört´ ich, mühsam, wie es schien: / „Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn´ Unterlass – Nicht, dass ein verlorenes inneres Kind uns noch einmal verloren geht - endgültig ...


Manchmal blitzt etwas aus dem Unbewussten auf – manchmal ist es genauso schnell wieder weg, wie es gekommen ist, es sei denn, es gelingt uns, sofort den Fokus darauf zu richten, was sich da zeigt.

Das ist bei Träumen der Fall, bei Einfällen, bei Bildern aus dem Unbewussten.

In uns haben wir viele verletzte Kinder, die sich kaum zeigen; doch es gibt glückliche Momente, da treten sie aus dem Dämmer des Unbewussten heraus.

Davon erzählt ein Gedicht Theodor Storms (1817-1888), überschrieben Weihnachtsabend.

Niemand käme darauf, es mit einem inneren Kind von uns in Verbindung zu bringen. Doch ich finde, es erzählt von einem und einer möglichen Begegnung.

Wer diesen Blog verfolgt, weiß ja, dass ich die äußere Realität für einen Spiegel unserer inneren halte - nicht 1:1, aber doch einer ganz ähnlichen inneren Realität vergleichbar - und das öfter, als wir denken:



Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, 
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war´s; durch alle Gassen scholl 
der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
drang mir ein heiser Stimmlein an das Ohr: 
„Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt 
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein bleiches Kinderangesicht; 
wes Alters und Geschlecht es mochte sein, 
erkannt ich im Vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört´ ich, mühsam, wie es schien: 
„Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn´ Unterlass; 
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn. 

Und ich? - War´s Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? 
Eh meine Hand zu meiner Börse kam, 
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind. 

Doch als ich endlich war mit mir allein,
erfasste mich die Angst im Herzen so, 
als säß´ mein eigen Kind auf jenem Stein 
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh. 


Mögen wir, gerade an Weihnachten, da sich uns unser wunderbares inneres Kind zeigen will, dieses unser Kind wahrnehmen, ich meine, das in unserer inneren Stadt - und das in unserer inneren Krippe.
Es sind zwei innere Kinder, die sich aufeinander zubewegen wollen!

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Gefügigmacher Ritalin und ADHS, eine fabrizierte Krankheit


»Unsere Systeme sind für Jungen unfreundlich geworden«, sagt (..) der Professor für Arzneimittelversorgungsforschung an der Universität Bremen, Gerd Glaeske. Jungen wollten risikoreicher leben und sich erproben. Dafür fehlten ihnen aber heute die Freiräume. Jungen versuchten, Grenzen zu überschreiten, das gelte in unserem System als auffällig. »Wenn man sagt, dass Jungen stören, muss man auch über die reden, die sich davon gestört fühlen«, so der Professor.

Und auf dem Internetportal der Deutschen Apotheker Zeitung ist zu lesen:

„Ritalin ist eine Pille gegen eine erfundene Krankheit, gegen die Krankheit, ein schwieriger Junge zu sein.“ Die Diagnose ADHS werde inflationär zur Erklärung von Schulversagen herangezogen, und weltweit mache allein Novartis, Hersteller von Ritalin (Methylphenidat), einen Umsatz von 464 Millionen Dollar mit der Pille, die störende Jungen „glatt, gefügig und still“ mache. So schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS vom 12. Februar) in einem Titelbeitrag.

Den Beitrag vom April vergangenen Jahres, den ich bezüglich Ritalin und ADHS empfehlen möchte und leider erst jetzt gefunden habe, ist von Eva Herman und im Kopp-Verlag erschienen. Für manche sind beide ein rotes Tuch.

Für mich allerdings nicht; ich schätze die Beiträge des Kopp-Verlags und Eva Herman hat mir nichts getan. Manche finden ihren Beitrag zu reißerisch geschrieben, aber für mich kann gegen Ritalin nichts reißerisch genug sein. Hier der Link zu

Ritalin: Wie die Pharmaindustrie unsere Kinder vorsätzlich zerstört. (Der erste Absatz ist ein Zitat aus diesem Artikel)

veröffentlicht auch auf FreieWelt.net

Montag, 7. Oktober 2013

Alle Mütter waren einmal klein ... Mütter bleiben später oft allein ... Mascha Kalékos Rück-Sicht.



              Alle Mütter waren einmal klein.

              Kinder können das oft gar nicht fassen.

              Wenn die Kinderschuhe nicht mehr passen,

              Fällt es ihnen wohl zuweilen ein.

             Große Kinder suchen fremde Gassen,

             Mütter bleiben später oft allein.

             Alle Kinder werden einmal groß.

            Mütter können das oft nicht begreifen.

             Kleines Mädchen mit den bunten Schleifen,

             Spieltest gestern noch auf ihrem Schoß;

            Kleiner Sohn, mußt du die Welt durchstreifen?

            Mütter haben oft das gleiche Los.

            Alle Stuben werden einmal leer.

            Kahl der Tisch, verwaist und stumm der Garten.

            Diele knarrt. Und Mütter schweigen, warten...

            Manchmal kommt ein Brief von weitem her.

            Stern verlischt. Und all die wohlverwahrten

            Tränen tropfen ungeweint ins Meer –

                          aus In meinen Träumen läutet es Sturm
                                      mehr zu Mascha Kaléko hier

Donnerstag, 26. September 2013

Netzfrauen posten: Der gefährlichste Moment in der Geschichte der Menschheit


Weil es so dringlich ist, möchte ich diesen Post der Netzfrauen auch in diesem Blog veröffentlichen:

“Bei der Sicherung der Brennelemente im Lagerbecken der Einheit 4 in Fukushima geht es um unser aller Überleben!”
 © Masaya Noda















Nur noch zwei Monate trennen uns von der größten Gefahr für die Menschheit seit der Krise um die Raketen auf Kuba.

Es gibt keine Entschuldigung dafür, jetzt nicht zu handeln. 

Wer weiterlesen möchte: hier

Sonntag, 8. September 2013

Auf dem Weg, wirklich lieben zu lernen, auf dem Weg zur Heilung des inneren Vaters: Arbeiten im Dunkeln, Sehen im Dunkeln, im Bergwerk der Bilder!

Mein Vater lebt nicht mehr, wie soll ich das Verhältnis zu ihm heilen? Ein Mann, der mich ein Leben lang nie in den Arm nehmen konnte, mich mit seinen Händen nie herzlich berührte? Der mit seiner Frau nicht klarkam und letztendlich nicht mit dem Leben? Der auf dem Sterbebett so tief aufstöhnte, als ich ihm zuliebe ein Vater Unser betete bei jener Stelle, die lautet: Und vergib uns unsere Schuld, obwohl er zu diesem Zeitpunkt doch schon tagelang nicht mehr ansprechbar war und wie im Koma lag!
Damals saß ich in dem Zimmer eines Krankenhauses, in dem noch zwei weitere schwerkranke Männer lagen, und ich erinnere mich, dass sie beide, als ich am Bett meines Vaters betete, innehielten und - einer von ihnen sogar laut - mitbeteten.

Wie auch sollen Frauen, die Schreckliches in Bezug auf ihren Vater mitgemacht haben - wie sollen sie ihren inneren Vater heilen?

So schwer es fällt, aber für die allermeisten Eltern, die ihren Kindern schweren Schaden zugefügt haben, gilt: Sie haben ihr Bestes gegeben - mehr ging nicht. 
Angesichts dessen, was  manche Eltern ihren Kindern angetan haben, scheint das fast lästerlich, nur:
Oft sind diese Eltern zu ihren eigenen Herkunfts-Eltern geworden und so geblieben.

Was sie getan haben, haben sie oft stellvertretend für das Bewusstsein ihrer Eltern getan. 
Unbewusst.
Diese alte Bewusstseins-Programme und Programmierungen setzen alles daran, nicht enttarnt zu werden, weiteragieren zu können, von Kindern zu Kindeskindern. 
Wenn es irgend geht, reißen sie den, der sie enttarnen will, mit in den Tod. Hinter diesem Geschehen steht eine große Dramatik; wir sehen sie in dem Leben so vieler Menschen. – Noch dominiert diese Dramatik, doch ich glaube, die Zeit kommt, in der sich das verändert. – In den Anfängen dieser Zeit befinden wir uns.

Nach wie vor ist es eine besondere Gnade, dass wir in unserem Bewusstsein weitergehen dürfen und können, wenn wir es tun wollen.

Dazu gehört, dass wir unseren Eltern zugestehen: Sie haben ihr Bestes gegeben, auch da, wo das Beste furchbar war, denn familiäre Programme, die in Menschen ablaufen, sind Zwangsjacken, aus denen es oft kein Entkommen gibt.

Wir können die Seele unserer Eltern nicht sanieren.
Wenn wir allerdings uns helfen, geschieht ihnen Hilfe, ob wir wollen oder nicht. Auch in einer anderen Welt nehmen sie an den Bewusstseinsprozessen ihrer Kinder teil.

Wir können uns selbst helfen, uns selbst heilen, indem wir uns helfen lassen, indem wir uns heilen lassen. Ein Weg ist der, der in der Unendlichen Geschichte aufgezeichnet ist. Das Brüder- Grimm-Märchen Eisenhans ist auch ein Heilungsmärchen - wie manche andere. Früher wurde auch das Johannes-Evangelium unter diesem Aspekt, dem der Heilung, gelesen.

Zurück noch einmal zu den Eltern, denn es gibt noch jene Eltern, die sich dessen bewusst waren, was sie taten.
Wie gilt es, mit ihnen umzugehen?

Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Dieses große Jesus-Wort am Kreuz ist auch das Lösungswort für unsere Seele.

Ich meine, der große Heiler meint: Vater, sei diesen Menschen gnädig, denn sie erfassen nicht, was sie anrichten, angerichtet haben.

Sie erfassen nicht die Dimensionen dessen, was sie tun, was sie taten.

Wer Kinderseelen Schmerz zufügt, tut etwas, was den Kosmos weinen lässt.

Wir wissen heute, dass, wenn in der Kindheit Spiegelneuronen nicht gefüllt worden sind, zum Beispiel mit der Fähigkeit, sich einfühlen zu können, Schmerz wahrnehmen zu können, auf Stimmen reagieren zu können, auf Mimik, auf Schluchzen, auf die ganze Palette von Gefühlen, dann kann der Mensch tatsächlich zu einem Monster werden, das nicht in der Lage ist, menschliche Regungen zu zeigen, nicht in der Lage ist, menschliche Regungen wahrzunehmen.

Zurück zu dem biblischen Bild, das manchen Leser veranlassen könnte wegzuklicken oder zu denken: Muss das sein, schon wieder diese Bibel?!

Die biblischen Bilder, die Bilder vom Kreuz, von Gethsemane, von der Auferstehung - letzteres Geschehen konnten damals vor nun annähernd 2000 Jahren nur Frauen wahrnehmen, nur also unsere weibliche Seite - sind Bilder der Heilung.

Wir sollten sie sehen, ohne uns durch die Kriminalgeschichte der Kirchen beeinflussen zu lassen, die es auch gibt neben der Tatsache, dass diese Institution auch vielen Menschen geholfen hat, genauer gesagt, Menschen voller Liebe, die in ihr gewirkt haben.

Gibt es Schlimmeres, als die Liebe hinzurichten?


Auch das haben Eltern, wie auch ich sie hatte, getan. In ihren Kindern, in dem Verhalten gegenüber ihren Kindern haben sie die Liebe hingerichtet. Nicht nur – aber doch auch.

Wie sehr wäre es der LIEBE ein Anliegen gewesen, dass wir als Kinder, dass Kinder überhaupt unversehrt geblieben wären!
Was, das sei an dieser Stelle gefragt, tun wir, tun unsere Politiker für die Kinder Syriens?

Stattdessen bin ich vielfach von meinen Eltern gequält und seelisch gefoltert worden (davon abgesehen, dass ich als Kind auch ordentlich auf die mir zur Verfügung stehende Art austeilen konnte ... auch ganz schön fies - und es geschah nicht alles aus Notwehr, sondern war Teil dessen, was ich in dieses Leben mitgebracht habe).


Gesagt werden darf hier aber auch, dass es Familien gibt, in der Kinder in wirklicher Liebe aufwachsen. – Glücklich, wer das erleben durfte und darf.


In der Dame Aiuóla haben wir eine Große innere Mutter kennengelernt auf eine Weise, wie sie Michael Ende für seine Unendliche Geschichte gewählt hat. Bastian lebt längere Zeit bei ihr, bis eine Sehnsucht in ihm zu wachsen beginnt, die er benennt als eine Sehnsucht, selbst lieben zu können


Erstaunt muss er bemerken, dass er es nicht konnte.


Ein Fingerzeig für uns, denn was wir als Liebe bezeichnen, ist ja nur das, was uns als Liebe vermittelt wurde.


Wenn wir das Meer nicht kennen und unsere Eltern einen Teich als Meer bezeichnen, dann denken wir bei dem Wort Meer, wir würden das Meer kennen.


So ist es mit der Liebe.


Bei der Dame Aiuóla merkt Bastian, dass er gar nicht weiß, was Liebe ist.


Und die Dame Aiuóla macht ihn darauf aufmerksam, dass er nun seinen letzten Wunsch gefunden habe.


Den musste Bastian finden, um von Phantásien, aus der Realität des Buches, in der er so viel lernte, wieder in seine Realität zu kommen.


Und sie sagt ihm weiterhin, dass er, um lieben zu können, das Wasser des Lebens finden müsse.


Klar, Michael Ende greift hier ein Märchenmotiv auf, aber auch eines, das sich in dem letzten Buch der Bibel findet.


Im Märchen wird die Bedeutung des Wassers des Lebens ganz klar: Es geht darum, ein Heilmittel für den todkranken Vater zu finden.


Auch für den Vater in uns.


Wir wissen, dass der Hauptakteuer der Unendlichen Geschichte, Bastian, ein Buch liest, indem es darum geht, der kindlichen Kaiserin das Leben zu retten. Und dass in diesem Buch ein Junge namens Atréju auserwählt wird, sie zu retten. Dass dieser Junge auf die Reise geht und herausfindet, dass jemand der kindlichen Kaiserin einen neuen Namen geben müsse, damit sie überleben kann, dass dieser Jemand aber von außerhalb Phantásiens kommen muss, dass aber Phantásien unendlich groß ist, grenzenlos ... Wie also soll Atréju außerhalb Phantásiens gelangen, um diesen Menschen zu finden? Das war zu einem bestimmten Zeitpunkt der Unendlichen Geschichte Atréjus Riesenproblem ... bis auf einmal Bastian, der diese Unendliche Geschichte auf dem Speicher seiner Schule liest, in die Handlung des Buches hineingelangt ... er ist es in der Folge, der der kindlichen Kaiserin den Namen gibt.


Er nennt sie Mondenkind.


Es kommt die Phase, wo er nicht mehr zurück will, weil ihm Phantásien so behagt und die riesige Gefahr besteht, dass er tatsächlich nicht mehr zurückkommt, wenn er seinen letzten Wunsch nicht richtig einsetzt. Auf die Dramatik dieses Geschehens, die mit allen Süchten von Menschen, auch einer religiösen oder esoterischen Sucht zusammenhängt, werde ich an anderer Stelle ein andermal eingehen.


Mit seinem letzten Wunsch, lieben zu lernen, hat Bastian Gott sei Dank richtig gewählt.


Nun also hat er sich von der Dame Aiuóla, die wir als seine innere Mutter wahrgenommen hatten, verabschiedet, um das Wasser des Lebens zu finden, und, wir ahnen es, zu seinem Vater zu gelangen.


Das nun erweist sich als nicht so einfach und gut, dass er auf Yor trifft, den Blinden Bergmann, der nur im Licht blind ist, aber im Dunkeln bestens sieht. Jener weiß um den Weg, doch er weiß auch, dass Bastian viel Geduld brauchen wird, um den Weg zu finden, denn er muss jenes Bild im Bergwerk der Bilder finden, das ihm den Weg weist.


Im Bergwerk der Bilder finden sich alle Träume der Menschen, denn nichts geht in der Welt verloren. Alle sind festgehalten auf hauchdünnen Tafeln aus einer Art Marienglas. Ganz Phantásien, das weiß Yor, steht auf den Grundfesten aus unseren vergessenen Träumen.


Ohne dass es Bastian so richtig bewusst wird, wird Yor sein Lehrer, denn jener weiß, dass Bastian nur ein vergessener Traum helfen kann, lieben zu lernen und das Wasser des Lebens zu finden.


Tag für Tag fährt er nun fortan mit Yor in die Tiefe des Bergwerks.


Bastian lernt zu schweigen, er lernt, zartfühlend mit den hauchdünnen Tafeln aus Marienglas umzugehen, auf denen die Träume festgehalten sind, er lernt die notwendige Art, sich behutsam zu bewegen, er lernt, im Dunkeln des Bergwerks - es wird auch die Grube Minroud genannt - zu arbeiten.


Nach und nach also lernte Bastian, sich da unten in der Dunkelheit zurechtzufinden:


Eingerollt wie ein ungeborenes Kind im Leib seiner Mutter lag er in den dunklen Tiefen der Grundfesten Phantásiens und schürfte geduldig nach einem vergessenen Traum, einem Bild, das ihn zum Wasser des Lebens führen konnte. 

Wenn wir das bei Michael Ende lesen, dann verstehen wir auf einmal auf eine ganz neue Weise Hugo von Hofmannsthals Weltgeheimnis!
Bastian klagte nicht und empörte sich nicht. Er hatte alles Mitleid mit sich selbst verloren. Er war geduldig und still geworden.
Natürlich wird hier der Weg beschrieben, den auch wir zu gehen haben. Wie der Knabe in Schillers Taucher müssen wir in die Tiefen unserer Seele absteigen, müssen lernen, zartfühlend mit unseren und den Träumen der Menschen umzugehen, müssen bereit sein, in das Dunkel, das auch unser Dunkel ist, abzutauchen, in die Nacht, ins Unbewusste. Müssen lernen, uns in dieser Tiefe, dieser Nacht zu bewegen ...

Hierzu bedürfen wir einer archetypischen Gestalt, den wir psychologisch unseren inneren Zauberer, unseren inneren Weisen nennen könnten.

Diese Gestalt hat jeder in sich. Wir brauchen sie, damit wir ohne Angst in die Tiefe steigen, wir brauchen sie, denn sie weiß um uns, um unser wahres Sehnen.
Wir können sie auch zu Hilfe rufen.
Dennoch kann dieser innere Zauberer uns nur begleiten, das Entscheidende müssen wir selbst tun, denn:

Das alles, was Bastian erlebt, ist nur dem möglich, der nicht jammert, der sich nicht selbst bemitleidet.


Wir ahnen, warum die göttliche Stimme in uns uns zuallererst gemahnt, mit unserem Selbstmitleid aufzuhören.


Wir lernen auf diesem Weg Geduld oder wir steigen vorzeitig aus.


Hier nun eine entscheidende Passage in Bastians Leben, wie sie Michael Ende zu Papier brachte:
Wie lange diese harte Zeit dauerte, lässt sich nicht sagen, denn solche Arbeit lässt sich nicht nach Tagen oder Monaten bemessen. Jedenfalls geschah es eines Abends, dass er ein Bild mitbrachte, das ihn auf der Stelle so sehr aufwühlte, dass er sich zurückhalten musste, keinen Überraschungslaut auszustoßen und damit alles zu zerstören.
Auf der zarten Marienglastafel - sie war nicht sehr groß, hatte nur etwa das Format einer gewöhnlichen Buchseite - war sehr klar und deutlich ein Mann zu sehen, der einen weißen Kittel trug. In der einen Hand hielt er ein Gipsgebiss. Er stand da und seine Haltung und der stille, bekümmerte Ausdruck in seinem Gesicht griffen Bastian ans Herz. Aber das, was ihn am meisten betroffen machte, war, dass der Mann in einen glasklaren Eisblock eingefroren war. Ganz und gar und von allen Seiten umgab ihn eine undurchdringliche, aber vollkommen durchsichtige Eisschicht.
Während Bastian das Bild betrachtete, das vor ihm im Schnee lag, erwachte in ihm Sehnsucht nach diesem Mann, den er nicht kannte. Es war ein Gefühl, das wie aus weiter Ferne herankam, wie eine Springflut im Meer, die man anfangs kaum wahrnimmt, bis sie näher und näher kommt und zuletzt zur gewaltigen, haushohen Woge wird, die alles mit sich reißt und hinwegschwemmt. Bastian ertrank fast darin und rang nach Luft. Das Herz tat ihm weh, es war nicht groß genug für eine so riesige Sehnsucht. In dieser Flutwelle ging alles unter, was er noch an Erinnerung an sich selbst besaß. Und er vergaß das Letzte, was er noch hatte: seinen eigenen Namen.
Als er später zu Yor in die Hütte trat, schwieg er. Auch der Bergmann sagte nichts, aber er blickte lange nach ihm hin, wobei seine Augen wieder wie in weite Ferne zu schauen schienen und dann ging zum ersten Mal in all dieser Zeit ein kurzes Lächeln über seine steingrauen Züge.
In dieser Nacht konnte der Junge, der nun keinen Namen mehr hatte, trotz aller Müdigkeit nicht einschlafen. Immerfort sah er das Bild vor sich. Ihm war, als ob der Mann ihm etwas sagen wollte, aber es nicht konnte, weil er in dem Eisblock eingeschlossen war. Der Junge ohne Namen wollte ihm helfen, wollte machen, dass dieses Eis taute. Wie in einem wachen Traum sah er sich selbst den Eisblock umarmen, um ihn mit der Wärme seines Körpers zum Schmelzen zu bringen. Aber alles war vergebens.
Doch dann hörte er plötzlich, was der Mann ihm sagen wollte, hörte es nicht mit den Ohren, sondern tief in seinem eigenen Herzen:
»Hilf mir bitte! Lass mich nicht im Stich! Allein komme ich aus diesem Eis nicht heraus. Hilf mir! Nur du kannst mich daraus befreien - nur du!«
Als sie sich am nächsten Morgen bei Tagesgrauen erhoben, sagte der Junge ohne Namen zu Yor:
»Ich fahre heute nicht mehr mit dir in die Grube Minroud ein.«
»Willst du mich verlassen?«
Der Junge nickte. »Ich will gehen und das Wasser des Lebens suchen.«
»Hast du das Bild gefunden, das dich führen wird?«
»Ja.«
»Willst du es mir zeigen?«
Der Junge nickte abermals. Beide gingen hinaus in den Schnee, wo das Bild lag. Der Junge sah es an, aber Yor richtete seine blinden Augen auf das Gesicht des Jungen, als blicke er durch ihn hindurch in eine weite Ferne. Er schien lange auf etwas hinzuhorchen. Endlich nickte er.
»Nimm es mit«, flüsterte er, »und verliere es nicht. Wenn du es verlierst oder wenn es zerstört wird, dann ist für dich alles zu Ende. Denn in Phantasien bleibt dir nun nichts mehr. Du weißt, was das heißt.«
Der Junge, der keinen Namen mehr hatte, stand mit gesenktem Kopf und schwieg eine Weile. Dann sagte er ebenso leise:
»Danke, Yor, für das, was du mich gelehrt hast.«
Sie gaben sich die Hände.
»Du warst ein guter Bergknappe«, raunte Yor, »und hast fleißig gearbeitet.«
Damit wandte er sich ab und ging auf den Schacht der Grube Minroud zu. Ohne sich noch einmal umzudrehen, stieg er in den Förderkorb und fuhr in die Tiefe.
Der Junge ohne Namen hob das Bild aus dem Schnee auf und stapfte in die Weite der weißen Ebene hinaus.
Bastian macht sich auf zu seinem Vater. Er macht sich auf, das Wasser des Lebens zu finden, um diesen Vater aus seinem eingefrorenen Zustand zu befreien, damit er ihn kennen lerne und wisse, wer sein Vater denn wirklich ist.

Damit unser Held dies leisten kann, müssen auch seine letzten alten Strukturen weichen. Michael Ende spricht symbolisch davon, dass Bastian seinen Namen vergisst.


Er ist bereit für einen neuen Namen, einen neuen Namen auf der geistigen Ebene. In seiner realen Welt wird er immer Bastian Balthasar Bux heißen.


Es gibt Menschen, die sich einen neuen Namen selbst geben oder auch sagen, er sei ihnen von einem geistigen Wesen gegeben worden. Oft klingen diese Namen indisch oder fernöstlich.


Ich persönlich halte von dieser Art von Namensgebung überhaupt nichts, weil ich mehr als einmal erlebt habe, dass diese sogenannten Eingebungen auf puren Einbildungen des spirituellen Ego dieser Menschen beruhen, die mehr sein möchten, als sie sind.


Unser realer Name trägt unsere Lebensenergie, und diese Lebensenergie hängt immer mit dem Kulturbereich zusammen, in den wir - nie zufällig - hineingeboren worden sind. Von daher sollte unsere Entwicklung eher dahin gehen zu erfahren, welche Bedeutung unser realer Name wirklich für uns hat; dabei ist eine Name wie Hans genauso bedeutungsvoll wie Johannes. Hans hat eine ganz andere Energie als Johannes und ein Mensch, der Hans heißt, wird eine andere Lebensenergie umsetzen als ein Johannes. – Beides ist gleichermaßen wertvoll.


Die Bedeutung des Geschehens um den Namen Bastians, das Michael Ende anspricht, hat zu tun mit jener Stelle aus der Offenbarung des Johannes, Kapitel 2, 17, in der es heißt:
Ich werde ihm einen weißen Stein geben, und auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, welchen niemand kennt, als wer ihn empfängt.
Im Griechischen gibt es relativ viele Wörter, die Stein bedeuten, u. a. pétra, líthos, báros.

Im griechischen Text des Neuen Testamentes finden wir das Wort pséphos. Dieses Wort steht für den Stimmstein, mit dem der Teilnehmer einer abstimmungsberechtigten Versammlung seine Stimme abgeben konnte, wobei es weiße und schwarze Steine gab. In der Athener Volksversammlung, der ekklesía, löste dieses Abstimmungsverfahren mit einer Steinabgabe das per acclamatio, also per Klatschen oder Handheben zuzustimmen, ab. So kommt es, dass, in Anlehnung an pséphos, der Vorgang des Abstimmens als psephízein bezeichnet wurde.


Wenn in der Bibel von diesem Stein die Rede ist, so bedeutet das auch, dass Gott für den, den es betrifft, seine Stimme abgibt.


Mehr geht in religiösem Sinne nicht.


Und dieser Stein ist weiß, genauer gesagt - denn leukós bedeutet auch glänzend, licht: Es ist ein weiß glänzender, ein lichtvoller Stein.


Indem Bastian seinen Namen verliert, wird er bereit für ein neues Bewusstsein, es ist Raum geschaffen für einen neuen Namen, den nur er kennt, so heißt es ausdrücklich in der Bibel; er kennt ihn, und natürlich Gott, der ihn mit ihm auszeichnete.

Immer wieder greift Michael Ende auf mythologische und biblische Symbolik zurück, wohl wissend, dass sie einen tiefen wahren Gehalt hat; durch die umfassenden Arbeiten von Mircea Eliade und C.G.Jung wissen wir, wie wahr das ist.

Machen wir uns also, falls wir das noch nicht getan haben, auf, unseren Vater in uns zu erlösen.
Das kann auf die unterschiedlichsten Arten geschehen, auch dadurch, dass wir ihn der Gerechtigkeit Gottes übergeben, wenn Schlimmes geschehen ist. Wenn dies auf die richtige Weise in uns geschieht, dann geschieht es ohne Groll.

Bastian wird seinen Vater finden. Aber das ist ein weiterer, ein letzter Abschnitt in der Unendlichen Geschichte.

PS Eins möchte ich noch nachtragen: 
Zu meiner Mutter, die nun schon bald zwanzig Jahre nicht mehr auf dieser Erde ist, habe ich ein wunderbar schönes Verhältnis. Sie hat mir von da, wo sie jetzt ist, schon sehr geholfen – aber das ist eine andere Geschichte.
Und zu meinem Vater, der auch schon viele Jahre gestorben ist, möchte ich sagen, dass ich mir ziemlich, um nicht zu sagen: sehr sicher bin, dass er jeden meiner Schritte genau sieht, sich ansieht.
Ich glaube, er macht Schritte auf mich zu, Schritte, die er in unserer gemeinsamen Erdenzeit nicht gehen konnte. Darüber freue ich mich sehr.

Donnerstag, 15. August 2013

Einfach Kind-Sein!

Auf einer Bild-Tafel des Franziskus-Weges in der Rhön nahe der Thüringer Hütte

Mittwoch, 14. August 2013

Das Ende der Mutter-Sucht: Wie du bist, so bist du recht ... Die Dame Aiuóla nimmt uns an; sie ist ein Teil von uns.


Es gibt zahlreiche Märchen, die von der inneren Mutter erzählen, die einen wesentlichen Teil unserer Seele ausmacht. 
Und diese Mutter hat viele Facetten. 
Sibylle Birkhäuser-Oeri hat in ihrem posthum von ihrer Freundin Marie-Louise von Franz zur Veröffentlichung aufbereiteten Manuskript - erschienen als Die Mutter im Märchen - einige ansgesprochen: 
Da finden wir u.a. die Todesmutter, die Feuermutter, die lebensschenkende Naturmutter ... all diese Mütter, die dunklen wie die hellen, sind Seiten EINER Großen Mutter.Eine der bekannntesten Ausgestaltungen ist Frau Holle.
In uns gibt es diese vielen Facetten der Mutter wie auch diese EINE, die Goethe meint, wenn er am Ende von Faust II vom Ewig-Weiblichen spricht, das uns hinanzieht, die Homer besingtwenn er die Mutter als Allmutter Erde anspricht, und deren auch in vielen, den meisten indianischen Kulturen gedacht wird.
Die Griechen nannten sie Gaia, eben Allmutter Erde.
Sie ist die göttliche Mutter. Der weibliche Teil der Gottheit.
Jenen Teil, den uns die christlichen Kirchen verschwiegen haben.
Vater, Sohn und Heiliger Geist, so heißt es im Apostolischen Glaubensbekenntnis.
Nur Männer, keine Frau. 
So ist das in der Kirche.

Wir können diese göttliche Mutter nicht erfassen. Wir Menschen tun das ja gern, etwas zu erfassen und dann kräftig festzuhalten, unter Kontrolle zu bringen, damit die liebe Seele Ruhe hat.

Aber genau das ist der Punkt: diese Mutter schenkt zwar Ruhe und Frieden, denn sie will uns an ihrer Brust stillen, damit wir Stille lernen, aber sie beunruhigt uns auch in gewisser Weise, weil sie ständig im Wandel ist wie die Erde, die Natur.

Wer sie immer mehr verstehen lernen will, muss sich von ihr beunruhigen und stillen zugleich lassen.

Haben wir keine Verbindung zu ihr, treiben wir durch den Raum ... immer auf der Suche, unterwegs in Sachen Mutter-Sucht. Bevorzugt tun das jene Männer, die ständig unterwegs in Sachen Liebesabenteuer sind. Ohne es zu wissen, suchen sie in jeder Frau die Mutter, weil sie sich auf krankhafte Weise nie von ihr lösen konnten, oft, weil es die Mutter auf gerissene Weise verhindert hat, immer wieder - und sie tut es oft noch, auch wenn sie nicht mehr lebt.

Von dieser Mutter muss sich jeder Mann lösen. Das
 Grimm-Märchen Eisenhans berichtet davon.

Von der geistigen Mutter allerdings hätten wir uns nie lösen sollen. Die gute Mutter in den Märchen, die gute Königin, wie auch immer sie gestaltet worden ist, stirbt zumeist. So wie im Übrigen auch oft der Vater.

Jeder Mensch, ob Mann, ob Frau, muss sich vergewissern, ob er in Verbindung mit dieser Mutter steht. In einer liebenden.

Eine solche liebende Verbindung ist keine, die auf Unterwerfung basiert. Mit einer Mutter setzt man sich durchaus immer mal wieder auch auseinander.

Oft aber ist sie noch so tot in uns Menschen wie Schneewittchen.
Dann gilt es, sie zu wecken.

Eigentlich keine Überraschung, dass diese Thematik auch in Michael Endes Unendlicher Geschichte auf dem Weg Bastians zur Heilung des Inneren der Menschen, sprich in der Geschichte also der kindlichen Kaiserin, eine bedeutende Rolle spielt, wenn auch auf durchaus ungewöhnliche Weise.

Die innere Mutter, die Bastian trifft, ist die Dame Aiuóla.

Das Ganze ist absolut goldig geschrieben:


Schließlich gelangte er in eine schnurgerade Allee aus kugelrunden Bäumen, die voller rotbackiger Äpfel hingen. Und ganz am Ende der Allee tauchte ein Haus auf. Beim Näherkommen stellte Bastian fest, dass es wohl das drolligste Haus war, das er je gesehen hatte. Ein hohes spitzes Dach saß wie eine Zipfelmütze auf einem Gebäude, das eher einem Riesenkürbis glich, denn es war kugelig, und die Wände hatten an vielen Stellen Beulen und Ausbuchtungen, sozusagen dicke Bäuche, was dem Haus ein behäbiges und gemütliches Aussehen verlieh.

Da deutet sich schon an, welchen Mutter-Aspekt Michael Ende ausgewählt hat. Die Dame Aiuóla wohnt nämlich im Änderhaus, einem Haus, das sich ständig ändert, verschwindet auf der einen Seite ein Fenster, wächst auf ener anderen ein Erker aus dem Haus ...

Die Frau begrüßt Bastian mit einem Lied, das schon deutlich werden lässt, was eine wirkliche Mutter ausmacht, jedenfalls jene innere Mutter, auf die wir uns beziehen:


Alles, was du suchst und willst, 
auch Geborgenheit, 
Trost nach allem Leid. 
Ob du gut warst oder schlecht, 
wie du bist, so bist du recht,  
denn dein Weg war weit.«

Wie Du bist, so bist Du recht.
Wie schön, wenn das jemand zu uns sagt und uns so annimmt, wie wir sind.

Die wirkliche Mutter tut das!

Die Stimme begann von neuem zu singen: 


Großer Herr, sei wieder klein! 
Sei ein Kind und komm herein! 
Steh nicht länger vor der Tür, 
denn du bist willkommen hier! 
Alles ist für dich bereit 
schon seit langer Zeit.

Die Stimme übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Bastian aus. Er war sicher, dass es eine sehr freundliche Person war, die da sang.
Er klopfte also an die Tür, und die Stimme rief:
»Herein! Herein, mein schöner Bub!«
Er öffnete die Tür und sah eine gemütliche, nicht sehr große Stube, durch deren Fenster die Sonne hereinschien. In der Mitte stand ein runder Tisch, gedeckt mit allerlei Schalen und Körben voll bunter Früchte, die Bastian nicht kannte. Am Tisch saß eine Frau, die selbst ein wenig aussah wie ein Apfel, so rotbackig und rund, so gesund und appetitlich.
Im allerersten Augenblick war Bastian fast überwältigt von dem Wunsch, mit ausgebreiteten Armen auf sie zuzulaufen und »Mama! Mama!« zu rufen. Aber er beherrschte sich. Seine Mama war tot und ganz gewiss nicht hier in Phantásien. Diese Frau hatte zwar dasselbe liebe Lächeln und dieselbe Vertrauen erweckende Art, einen anzusehen, aber die Ähnlichkeit war höchstens die einer Schwester. Seine Mutter war klein gewesen und diese Frau hier war groß und irgendwie imposant. Sie trug einen breiten Hut, der über und über voller Blumen und Früchte war, und auch ihr Kleid war aus einem farbenprächtigen, geblümten Stoff. Erst nachdem er es eine Weile betrachtet hatte, bemerkte er, dass es in Wirklichkeit ebenfalls aus Blättern, Blüten und Früchten war.
Während er so stand und sie ansah, überkam ihn ein Gefühl, wie er es schon lange, lange nicht mehr gekannt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wann und wo, er wusste nur, dass er sich manchmal so gefühlt hatte, als er noch klein war.
»Setz dich doch, mein schöner Bub!«, sagte die Frau und wies mit einer einladenden Handbewegung auf einen Stuhl. »Du wirst sicher hungrig sein, also iss erst einmal!«
»Entschuldigung«, antwortete Bastian, »du erwartest doch einen Gast. Aber ich bin nur ganz zufällig hier.«
»Tatsächlich?«, fragte die Frau und schmunzelte.



Bastian mag lange meinen, er sei zufällig hier und die Ähnlichkeit sei höchstens die einer Schwester. Nein, er hat zu der Mutter gefunden, die unser aller Mutter ist, die sich ständig ändert wie die Jahreszeiten, die Fruchtbarkeit symbolisiert und Werden und Vergehen, zu sehen an ihrem Haus. 
Wenn wir zu dieser Mutter finden, gibt es nur eins: Wohlsein!

Es gibt Bücher, die nehmen einen an die Hand und zeigen einem den Weg, schaffen Bilder, die unsere Seele heilen und ihr den Weg weisen, ja, die selbst der Weg sein können, denn unser Inneres vertraut diesen Bildern.

Michael Ende war ein weiser Weißer Magier.
Seine Bilder helfen uns. 
Ja, seine Unendliche Geschichte hat eine heilende Wirkung!

Dienstag, 30. Juli 2013

Die Stimme der Stille und die Phantasie: Ohne sie gelangen wir nicht zu uns selbst!


Es gibt eine Nahrung, die wir unterschätzen für unseren Weg zu uns selbst: Diese Nahrung ist das Leben in der Poesie und das Land Phantásien, die uns den Weg weisen, um in unseren inneren Turm aus Elfenbein zu gelangen, in dem jemand wohnt, der uns um den Hals fallen möchte :-)

Alle Bilder, die Michael Ende in der Unendlichen Geschichte verwendet, alle Gestalten, die vorkommen, alle Prüfungen, die auftauchen, sind Prüfungen, Bilder, Gestalten unseres Inneren.

Die Unendliche Geschichte ist Nahrung pur für unsere Seele und Atréju und die Kindliche Kaiserin sind Seiten unseres inneren Kindes, ja dieses selbst!

Ausführlicher habe ich hier darüber geschrieben:

❂ Großes Rätsel Tor, Zauber Spiegel Tor, Ohne Schlüssel Tor und die Stimme der Stille: die Prüfungen Atréjus in der “Unendlichen Geschichte” sind auch unsere Prüfungen. Die Hilfen: Das Reich der Poesie, der Phantasie!

Samstag, 27. Juli 2013

"Nicht nachmachen" – wenn initiationsdemente Männer Sendezeit im ZDF bekommen, um Krieg zu spielen (wo es doch so lange keinen gibt ...)



Vielleicht müssen mittlerweile, um für den Winter oder das Alter vorzusorgen, Comedians, Clamaucians - oder wie sich solche Leute wie Bernhard Hoëcker und Wigald Boning nennen - jedes Angebot, in einer Sendung mitzuwirken, wahrnehmen. 
Vielleicht aber stammt das Sendekonzept sogar von ihnen? 
Wirklich kommt es aus Norwegen, doch vorstellbar wäre es durchaus gewesen; ihr Niveau scheint es zu sein -
so überzeugend kindisch, wie die beiden spielen.
So begeistert, wie sie tun.

Mutwillig zerstören sie, was ihnen in den Sinn kommt, und freuen sich wie kleine Kinder.

Da wird  freitags nach 22.30 Uhr ein Wasserbett im Zimmer zum Bersten gebracht, ein Badezimmer mit Wasser aufgefüllt, bis der Boden durchknallt; da wird ausprobiert, wieviel Bar ein Traktorreifen aushält – natürlich in einer Holzhütte, damit ordentlich was kaputt geht – oder was geschieht, wenn man einen Kamin mit Benzin reinigt bzw. einer Waschmaschinenfüllung ordentlich Reinigungsbenzin zugibt..
Knallen, rumsen, scheppern muss es eh möglichst laut und lichterloh lodern.
Das Ergebnis der letzten Sendung am Freitagabend, 22.30 Uhr, u.a.: ein zerborstener Traktorreifen samt Holzschuppen, ein explodierender, hell lodernder Wohnwagen, eine explodierende und lichterloh brennende Waschmaschine.

Nicht nachmachen: pädagogisch wertvoll 

Ich habe letztes Jahr schon einmal in diese Sendung reingeguckt und dachte:
Das kann nicht sein. Irgendwann taucht  Guido Cantz auf, der Moderator von Verstehen Sie Spaß - mittlerweile hat man sich auch an ihn gewöhnt - und alles macht hahaha ...

Aber nein, so war es nicht.
Die Sendung will als Destruktions-Orgie ernst genommen sein.
Als neues Sendekonzept ist sie sicherlich echoverdächtig in der Kategorie "Mediale Destruktion ohne Sinn".

Wo die Chancen auf einen Weltkrieg oder einen Krieg in Europa so schlecht stehen, muss man die innere Destruktivität einfach anderweitig ausleben.

Die Sendung dient der deutschen Seelenhygiene, kann man vermutlich aus ZDF-Kreisen hinter vorgehaltener Hand hören ...
Bevor nämlich Männer wieder ihre Frauen schlagen oder Midlife-Crisisler sich heimlich zu illegalen Autorennen rund ums Viertel treffen: lieber Aggressions- und Destruktionsabbau im Fernsehen!

Zudem sind die Staffeln ohnehin an pädagogischem Wert unüberbietbar, weil im Physik- oder Werk-Unterricht ideal einsetzbar als Anschauungsmaterial, wie man es nicht machen soll, und heimlicher Ideengeber zugleich; das ZDF verhandelt, wie man hört, mit den Landesmedienstellen ...

Klar soll zudem auch werden: Ihr, liebe Kinder und Jugendliche, müsst schon warten, bis ihr erwachsen seid, um solche Kindereien machen zu dürfen.
Wehe, ihr geht heim, und reißt der Puppe der kleinen Schwester die Arme und Beine aus, übergießt sie dann mit Benzin und zündet sie an.
Dann seid ihr gestört.
Wenn ihr mal Männer seid, könnt ihr das machen ... und noch ganz andere Sachen ... guckt ZDF !!

Größe durch Bums

Richtig, richtig tolle Sachen, findet Andrea Kiewel, die unvergleichliche Gärtnerin der ZDF-Sonntagmorgen-Unterhaltung das, was die beiden machen (immerhin ist Nicht nachmachen, wie sie selbst erklärt, ihre Lieblingssendung) und freut sich wie Bolle, wie sie selbst in ihrem Garten vom Blatt abliest, dass Bernhard Hoëcker und Wigald Boning auf einem Traktor in ihre Sendung einfahren (weil doch dann der Exklusiv-Versuch mit dem Traktorreifen sich zwingend anschließt ...).
Die beiden gehen der richtig richtig aufgeweckten Moderatorin bis an die Schultern.

Ob das erklären könnte, warum sich die beiden für ihren 30-minütigen Schwachsinn zur Verfügung stellen?

Oder es ist ganz einfach so: 
Bekanntlich fehlt den männlichen Jugendlichen von heute das, was man Initiation nennt, das rituelle Aufgenommenwerden in den Status eines Mannes.
Die Alternative ist Komasaufen oder Nicht nachmachen nachmachen.
Nicht nachmachen also als Therapie für initiationsdemente Männer?
So viel Bewusstsein darf man den beiden großen Buben Hoëcker und Boning schon zutrauen.
Oder doch nicht?
Immerhin weist Bernhard Hoëcker Andrea Kiewel, von ihr auf seine Kleidung angesprochen, darauf hin, dass seine Mutter wolle, dass wenn er im Fernsehen auftrete, er ordentlich gekleidet sei.

Komisch, Komisch, eigentlich ist der 43-Jährige verheiratet. Eigentlich müsste ihm die Meinung seiner Frau doch wichtiger sein als die der Mutter ...
Manchmal kommt die Wahrheit eben an den Tag.
Die Mutter ist halt wichtig für den großen Bub. Das erklärt auch, dass er sich in der Sendung entsprechend benimmt, wie ein großes Kind eben, das schreit, feixt, zetert, wenn etwas zu Bruch geht, je lauter, desto besser ... wenn man die Sendung sieht, findet man das Kind allenthalben gespiegelt.

Dieses Kind im Mann tut niemand gut, am wenigstens Bernhard Hoëcker selbst.

Wollte der ZDF-Intendant ursprünglich mitmoderieren?

In der nächsten Staffel wollen sie vermutlich probieren, was passiert, wenn man in einem AKW das Kühlsystem ausschaltet ...

Gerade will ich in der Mediathek in den Live-Stream einer Sendung hineinschauen, da lese ich:

Diese Sendung ist für Zuschauer unter 12 Jahren nicht geeignet und nur in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr innerhalb Europas abrufbar. 
Wir bitten um Ihr Verständnis.

Meine Güte, was für ein Gag ...
Womöglich ist der dem Intendanten selbst eingefallen.

Armes ZDF.

Die nächste Staffel soll womöglich zur Top-Prime-Time gesendet werden, auf 90 Minuten erweitert.

Es sei denn, unser zeitgenössischer Max-und-Moritz-Verschnitt hat seinen AKW-Versuch schon mal vorgezogen.

Sonntag, 7. Juli 2013

Der Wunsch nach Glück und Ganzheit hat seine Wurzeln in unserer Kindheit.


Immer wieder mal fallen mir aus meiner Kindheit Lieder ein, die ich in den Gottesdiensten der Kirchengemeinde, in die ich sonntags notgedrungen immer mit meinen Eltern gehen musste, sang.

Lange Jahre allerdings war es in meiner Kindheit kein Zwang. Die Kirche war von außen kaum als solche zu erkennen, der Bau war wohl sehr improvisiert unmittelbar nach dem Krieg errichtet worden. So war auch der Kirchenraum im Inneren sehr schlicht, aber das genau machte sein Flair aus. Stuhlreihen standen sauber hintereinander, in der Mitte und außen konnte man zu seinen Sitzen kommen. Der Altarraum war eine etwas erhöht gebaute Holzbühne aus dunklem Holz. Darauf stand auch ein Harmonium. An der Wand hing, wenn ich mich recht entsinne, ein Tuch mit einem Kreuz, an einen Altar erinnere ich mich gar nicht mehr.
Der Pfarrer, wenn er predigte, stand in der MItte des großen Podestes; immer hielt er einfach die Bibel in der Hand, wenn er predigte.
In meiner Erinnerung war das allerdings, auch wenn ich, je älter ich wurde, desto mehr unter der Religiosität meiner Eltern gelitten habe, eine schöne Zeit. Oft war ich einfach glücklich, wenn ich da so zwischen anderen Kindern im Kindergottesdienst saß und zuhörte oder sang.

Selbst aus der späteren Zeit sind mir trotz aller Schwierigkeiten mit der Bigotterie, der ich begegnete, Lieder in Erinnerung geblieben, die ein Gefühl des Heilseins in mir auslösen. Klar, für mich ist es so, dass die Seele des Menschen von Natur aus religiös ist, ja, ich glaube, dass die Seele intuitiv nach Ganzheit und Heilung strebt, nach dem, was die Bibel formuliert als, wieder zu werden wie ein Kind. Kein Verstand hat damals irgendwelche Viren in mein Glück eingeschleust, einschleusen können. Kindheit, wenn sie nicht zwangsintellektualisiert wird, ist immun gegen Verstandesviren.

Ich saß einfach nur da und habe gehört und mit dem Herzen gesungen. Ich sehe  mich noch sitzen, die Stühle waren hart, aber das war halt so. 
Wir haben nicht nur verletzte innere Kinder, wir haben auch viele heile in uns.
Oft liegen sie unter Schutt und Asche.
Und doch wollen sie blühen, erzählen, dem €rwachsenen helfen.
Oft, ja, vielleicht sogar immer, meint der Erwachsene, das Ruder in der Hand halten zu müssen.
Unser inneres Kind wäre sehr oft der bessere Steuermann ...

Manches Lied, das mir einfällt, finde ich schrecklich, z.B. jenes, das beginnt: Mein Herz war schwarz von Sünd, / nun bin ich ein Gotteskind ...
Für ein Kind ein aberwitziges Lied.

Eines, was meiner Seele gut tut, ist das Folgende, und wenn ich rational herangehe, weiß ich auch, warum.

Aber das tue ich eigentlich nicht, wenn es in mir erklingt.

Erstmal hier das LIed:

1)
Ich blicke voll Beugung und Staunen hinein in das Meer seiner Gnad
und lausche der Botschaft des Friedens, die Er mir verkündiget hat.

Sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein.
Mein Wille gehört meinem Gott; ich traue auf Jesus allein.

2)
Wie lang hab ich mühvoll gerungen, geseufzt unter Sünde und Schmerz!
Doch als ich mich ihm überlassen, da strömte sein Fried in mein Herz.

Sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein.
Mein Wille gehört meinem Gott; ich traue auf Jesus allein.

3)
Sanft hat seine Hand mich berühret; er sprach: O mein Kind, du bist heil!"
Ich fasste den Saum seines Kleides: Da ward seine Kraft mir zuteil.

Sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein.
Mein Wille gehört meinem Gott; ich traue auf Jesus allein.

4)
Der Fürst meines Friedens ist nahe; sein Antlitz ruht strahlend auf mir.
O horcht seiner Stimme; sie rufet: Den Frieden verleihe Ich dir!"

Sein Kreuz bedeckt meine Schuld, sein Blut macht hell mich und rein.
Mein Wille gehört meinem Gott; ich traue auf Jesus allein.


Eigentlich mag ich diese Begriffe von Schuld und Sünde nicht, aber hier stören sie mich nicht, vielleicht, weil es ein Lied ist, das für mich unendlich viel Frieden und Sanftmut ausströmt.

Das Lied-Ich tut zu Beginn etwas ganz Wesentliches: Es beugt sich.
Ich glaube, es ist die Voraussetzung dafür, staunen zu können.
Und das Beugen und Staunen ist beides Voraussetzung, dieses Meer der Gnade sehen zu können, hineinsehen zu können in dieses Meer.
Wie schön formuliert.
Wie schön auch dieses Lauschen.
Gut, wenn wir noch lauschen können ...
... wieder lauschen können.