In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Mittwoch, 3. September 2008

Friedrich Nietzsche: "Wirf den Helden in deiner Seele nicht weg" ... Über unsere inneren Helden, über unseren inneren König ...



"Ach, ich kannte Edle, die verloren ihre höchste Hoffnung. Und nun verleumdeten sie alle Hoffnungen. Nun lebten sie frech in kurzen Lüsten, und über den Tag hin warfen sie kaum noch Ziele. "Geist ist auch Wolllust" – so sagten sie. Da zerbrachen ihrem Geiste die Flügel; nun kriecht er herum und beschmutzt im Nagen. Einst dachten sie Helden zu werden: Lüstlinge sind es jetzt. Ein Gram und ein Grauen ist ihnen der Held. Aber bei meiner Liebe und Hoffnung beschwöre ich Dich: Wirf den Helden in Deiner Seele nicht weg! Halte heilig Deine höchste Hoffnung" – Also sprach Zarathustra.
aus Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für alle und keinen.

Wenige Jahre, nachdem Nietzsche dies geschrieben hat, wurde er wahnsinnig. Er, der schon immer in die Abgründe der menschlichen Seele schaute, bricht 1889 in Turin zusammen. Schluchzend umarmt er ein Pferd. Unter wirren Reden wird er ins Hotel gebracht. Man diagnostiziert eine Paralyse als Spätfolge von Syphilis; diese Diagnose ist jedoch umstritten. Nietzsche lebt noch elf Jahre, bevor er stirbt.
Ich glaube, er wurde lieber wahnsinnig, als dass man von ihm hätte sagen sollen: Er gab die Hoffnung auf.
Zehn Jahre lässt Nietzsche seinen Helden Zarathustra zurückgezogen im Gebirge leben, bevor jener, wie es heißt, zum Kind geworden als Erwachter zu den Menschen zurückkehrt, um ihnen traurige Wahrheiten zu sagen, u.a., dass Gott tot sei.
Es steht schlecht um die Menschen und Zarathustra meint:
"Wahrlich, ein schmutziger Strom ist der Mensch.
Man muss schon ein Meer sein, um einen schmutzigen Strom aufnehmen zu können, ohne unrein zu werden."
Dieses Meer ist für Nietzsche der Übermensch; jenen will er die Menschen lehren.
Für mich ist dies nicht die Lösung. Notwendig ist, dass der Mensch sich auf sein wahres Mensch-Sein besinnt. Dazu gehört allerdings, dass er sich auch auf den Helden in sich und seinen inneren König besinnt.
Robert Bly schreibt dazu:

Der innere König in uns weiß, was wir für den Rest unseres Le­bens machen wollen oder für den Rest des Monats oder für den Rest des Tages. Er kann uns deutlich machen, was wir wirklich wollen, ohne in seiner Wahl von den Meinungen anderer um uns herum beeinflusst zu werden. Der innere König steht in Verbindung mit dem Feuer unserer Entschlusskraft und Leidenschaft­lichkeit.
Als wir ein oder zwei Jahre alt waren, so darf man vermuten, war der innere König lebendig und kraftvoll. Damals wussten wir oft, was wir wollten, und das machten wir uns und anderen klar. Natürlich scheren sich manche Familien gar nicht darum, was die Kinder wollen.
Bei den meisten von uns wurde unser König schon früh getötet. Kein König stirbt einfach nur so, sondern er wird gestürzt und stirbt. Wenn die inneren Krieger noch nicht stark genug sind, um den König zu beschützen - und wie könnten sie das mit zwei oder drei Jahren? -, stirbt er.

Unter den Bedingungen, unter denen ich aufwuchs, wäre mein innerer König auch gestorben, doch habe ich viele Märchen und Sagen gelesen, und die Helden dieser Geschichten haben als innere Helden meinen König vor dem Tod bewahrt.
So ging und geht es vielleicht auch anderen Menschen, dass auch ihre inneren Kinder überlebt bzw. weniger Verletzungen erlitten haben, als sie hätten z.B. wegen der elternhäuslichen Gegebenheiten erleiden müssen auf Grund jener inneren Helden, die sie begleitet und beschützt haben.
Das Personal von Märchen und Sagen entspricht einem archetypischen, das heißt in allen Menschen vorkommenden Grundmuster seelischer Wesenheiten, die angesprochen und zum Klingen gebracht werden. Sind sie einmal in der Seele erklungen, so sind sie aktiviert; die Seele weiß um sie und sucht diesen Ton wieder zum Klingen zu bringen.
Auch das Personal moderner Videos und anderweitiger Filme aus Fernsehen und Leinwand trägt Heldenzüge. Es ist allerdings wichtig, dass die Seele selbst Bilder generiert und nicht solche benutzt, die andere unter bestimmten energetischen Voraussetzungen creiert haben; zum anderen trägt die Schlichtheit der Darstellung von Märchen und Sagen, die oft etwas belächelten Gut-Böse-Schemata dazu bei, dass die Bilder klar an Ort und Stelle treten können.
Stellen wir uns, was in unserer Seele anklingt und über ihre Reichhaltigkeit entscheidet, wie ein Klavier vor mit schwarzen und weißen Tasten. Im Grunde ist dieses Klavier kreisförmig um uns gebaut und mit unserem flexiblen Klavierstuhl in der Mitte können wir uns in alle Richtungen bewegen und im Grunde – sagen wir – unendlich viele Töne anschlagen.
Freilich gibt es Menschen, die in ihrem Leben immer nur im Rahmen einer Oktave das Lied ihres Lebens spielen. Und weil sie nicht mehr Töne anschlagen, halten sie auch, was sie spielen, für das Leben; es ist dies eine Möglichkeit der Lebensgestaltung, allerdings, ohne dass sie es merken, eine absolut reduzierte. Sie entsprechen den Menschen, die Platon in seinem Höhlengleichnis in der Höhle sich befinden lässt. Es gibt aber auch Menschen, für die dieses Rundum-Klavier sogar einer Orgel gleicht mit vielen Registern und Manualen. Solche Menschen waren Albert Schweitzer, Johann Sebastian Bach, Michelangelo, Leonardo da Vinci und manche uns Unbekannte vor Ort. Vielleicht gibt es mehr als wir ahnen. Mit Sicherheit hat ihr Geist in ihrer Kindheit eine reichhaltige Ausbildung und Fülle an Material erhalten. Unvorstellbar, dass ein Shakespeare oder Goethe ihre Werke hätten ohne solch einen Reichtum in ihrer Kindheit hätten schaffen können.
Mit der größtmögliche Reichtum besteht eben in Märchen und Sagen und Geschichten aus der Bibel, verbunden mit Namen wie Mose, David und Daniel.
Wenn wir wertvolle Bücher über Märchen lesen, erkennen wir, was dort angesprochen wird; ich denke hier an die Bücher von Hans Jellouschek, u.a. Der Froschkönig. Ich liebe dich, weil ich dich brauche oder auch Die Froschprinzessin. Wie ein Mann zur Liebe findet, Robert Blys Eisenhans. Ein Buch für Männer oder an die sehr anthroposophisch ausgerichteten Bücher zum Verständnis von Märchen von Rudolf Geiger, u.a. Märchenkunde. 
Helden finden ihre Heimat in sich. Homers Odyssee ist ein Epos über einen, der verzweifelt sucht, heim zu finden, seine Heimat zu finden. Was er dabei erlebt, sind Stationen, wie sie jedem Menschen widerfahren können, man denke nur an Odysseus´ Erlebnis mit Circe, welche Männer, in diesem Fall des Odysseues Gefährten, in Schweine verwandelt, ein Geschehen, dem wir heute tagtäglich beiwohnen, wenn wir den Fernseher anschalten und Zeugen eines allgemeinen Becircens werden.
Und zu guter Letzt ist das Parzival-Epos eine Ausgestaltung unserer eigenen seelischen Situation, denn der verletzte Gralskönig, das sind wir, und was wir anstreben, ist unsere Heilung durch den Gral.

Für unsere Kinder, für unsere inneren Kinder gibt es kaum etwas Wertvolleres als Sagen und Märchen. Wer verzweifelt war und eines der großen Grimm-Märchen gelesen hat, weiß, was ich meine.
So ist es wichtig, dass wir dem Helden in den Kindern Nahrung geben, ihrer Jeanne d´Arc, ihrer Frau Holle, ihrer Pippi Langstrumpf, ihrem Lancelot, Artus, Parzival, Schneewittchen oder Rapunzel.

PS:
In diesem Zusammenhang wichtig sind die drei Könige, auf die Robert Bly hinweist,
ebenso wie wir die Bedeutung des wahren Matriarchats und Patiarchats in uns erkennen müssen.

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