Bei der Lektüre der Auszüge aus Erika J. Chopichs und Margaret Pauls Buch Aussöhnung mit dem inneren Kind werden manche denken: Meine Kindheit war ja nun wirklich nicht so schlimm.
In gewisser Weise könnte es jedoch denen, die geschlagen und gedemütigt worden sind, besser gehen als denen, die glauben, sie seien geliebt worden.
Wem es im Hinblick auf die Liebe nicht gut ging, der weiß, was er nachzuarbeiten hat.
Wer glaubt, geliebt worden zu sein, muss gegebenenfalls auf mühevolle Weise enttarnen, dass „Liebe“ zwar eines der am häufigsten gebrauchten Wörter ist, zugleich aber eines der unbekanntesten Gefühle.
Liebe ist mehr als ein beheiztes Nest, mehr als geregelte Nahrungszufuhr, mehr als "Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht".
Wir nennen Liebe, was unsere Eltern als Liebe bezeichnet haben.
Liebe aber ist so umfassend und so tief, so aufgewühlt und so kraftvoll ruhig wie ein Ozean.
Erst wenn wir uns erlauben, Liebe wirklich zu erfahren, erkennen wir, ob wir bisher nur aus einem Tümpel geschöpft haben, einem kleinen See oder aus mehr … aus dem Meer der Liebe …
Erlauben wir uns eine große Erkundungsreise …
Wer glaubt, geliebt worden zu sein, muss gegebenenfalls auf mühevolle Weise enttarnen, dass „Liebe“ zwar eines der am häufigsten gebrauchten Wörter ist, zugleich aber eines der unbekanntesten Gefühle.
Liebe ist mehr als ein beheiztes Nest, mehr als geregelte Nahrungszufuhr, mehr als "Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht".
Kapitel l
In dir lebt ein inneres Kind
Alle Menschen, die wir als »Genies« bezeichnen, sind Männer und Frauen,
denen es auf irgendeine Weise gelungen ist, der Gefahr zu entgehen,
jenes neugierige, staunende Kind in sich zu betäuben und einzulullen.
denen es auf irgendeine Weise gelungen ist, der Gefahr zu entgehen,
jenes neugierige, staunende Kind in sich zu betäuben und einzulullen.
Barbara Sehr Wishcraft
Jeder von uns hat zwei verschiedene Persönlichkeitsaspekte: den Erwachsenen und das Kind. Wenn diese beiden Teile in Kontakt miteinander sind und zusammenarbeiten, entsteht ein Gefühl der Ganzheit. Wenn die beiden Teile jedoch nicht in Kontakt miteinander sind, sei es, dass wir verletzt sind, nicht richtig funktionieren können oder unreif geblieben sind, entsteht in uns ein Gefühl von Konflikt, Leere und Alleinsein.
Es ist sehr wichtig, das innere Kind klar und positiv wahrzunehmen. [...]. In unserem Kulturkreis sind Kinder traditionell weniger wert als Erwachsene - sie werden als weniger wichtig und als weniger klug angesehen. Als Kinder haben wir uns meistens als machtlos erlebt. Deswegen bedeutet Kindsein für uns fast immer Machtlosigkeit und Bedeutungslosigkeit. Darüber hinaus halten wir unser inneres Kind häufig für einen Störenfried, weil uns in der Kindheit so oft gesagt wurde, dass wir schlecht wären und Unruhe und Sorgen verursachen würden. Da man uns als Kind nicht wirklich wertgeschätzt hat, mag es für uns selbst jetzt ebenfalls schwer sein, das Kind in uns zu schätzen. Wir halten es für unwichtig, brechen den Kontakt zu ihm ab und setzen so unsere Kindheitserfahrungen endlos weiter fort. Das ist der Grund für unser Gefühl von Elend und Unglück. Unser inneres Kind wahrzunehmen und wertzuschätzen ist die wesentliche Voraussetzung, um eine heile, ganze Persönlichkeit zu werden
Das innere Kind - was ist das?
Das innere Kind erlebt das ganze Spektrum intensiver Gefühle - Freude und Schmerz, Glück und Traurigkeit. Das innere Kind funktioniert in der Sphäre von Sein, Fühlen und Erleben, die der rechten Gehirnhälfte zugeordnet ist. Im Gegensatz dazu steht der Erwachsene, der über das Machen, Denken und Handeln der linken Gehirnhälfte gebietet, zugleich aber ebenfalls über eine ganze Skala von Gefühlen verfügt. »Tun« bezieht sich auf die äußere Welt und auf Aktivität, während »Sein« sich auf die Existenz auf einer inneren, emotionalen und spirituellen Ebene bezieht. »Tun« ist eine äußere Erfahrung, während »Sein« eine innere Erfahrung ist. [...]
Das ungeliebte Kind
Wenn der innere Erwachsene sich davor schützen möchte, die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und es ablehnt, die Verantwortung für sie zu übernehmen, dann trennt er sich durch die verschiedenen Formen von Selbstanklage, Vernachlässigung und Bequemlichkeit von seinem inneren Kind. Das Kind fühlt sich dann ungeliebt, verlassen und sehr allein. Es schließt daraus, dass es schlecht, falsch, nicht liebenswert, unwichtig und unzulänglich sei, sonst würde es nicht entweder ganz konkret von den Erwachsenen (Eltern und Großeltern) oder sogar von seinem inneren Erwachsenen im Stich gelassen werden. Die äußeren und inneren Trennungen rufen im Kind intensive Gefühle der Furcht, Schuld und Scham hervor; es fühlt sich in der Welt und in sich selbst allein und verlassen. Das Kind lernt auf diese Weise, sich vor Zurückweisung, Verlassenwerden und Kontrolle zu fürchten, zuerst von Seiten der Bezugspersonen seiner Umwelt und dann von Seiten des inneren Erwachsenen, und schließlich projiziert es diese Ängste auf andere und glaubt ganz allgemein, dass die anderen es ablehnen, es verlassen oder versuchen, es zu kontrollieren.
Das Gefühl des Alleinseins ist das schmerzhafteste Gefühl, das wir erleben können. Es verursacht so tiefe Qual, dass wir alle danach streben, uns vor diesem Gefühl zu schützen. Wenn unsere Eltern uns als Kinder ablehnen, tadeln, verlassen, misshandeln oder gar missbrauchen, dann ist der Schmerz darüber so unerträglich, dass der innere Erwachsene den Kontakt zum inneren Kind abschneidet, um diese Gefühle nicht zu spüren. Dann fühlt sich das innere Kind nicht nur einsam und allein auf der Welt, sondern es fühlt sich auch in sich selbst allein und leer; es gibt niemanden, keinen Anteil seiner Persönlichkeit, der es vor den Verletzungen der anderen beschützt.
In der Kindheit und Jugend lernt das verlassene innere Kind, die innere Erfahrung des Verlassenwerdens auf andere zu projizieren. Wenn das innere Kind sich vom inneren Erwachsenen kontrolliert, kritisiert oder vernachlässigt fühlt, projiziert es diese Gefühle auf andere und erlebt die anderen als kontrollierend, kritisierend oder treulos, gleichgültig, ob das nun wirklich der Fall ist oder nicht. Die Wut, die das innere Kind auf den inneren Erwachsenen spürt, weil er es verlassen hat, wird ganz allgemein auf andere übertragen. Das Kind glaubt allmählich, dass das Verlassenwerden nur durch äußere Umstände und andere Menschen geschieht, da es selbst keine Möglichkeit hat, seine Wut dem inneren Erwachsenen gegenüber auszudrücken. Der lieblose innere Erwachsene nimmt die Gefühle des inneren Kindes nicht wahr. Die Wut und die Vorwürfe, mit denen wir als Erwachsene andere konfrontieren, sind nicht nur eine Projektion der elterlichen Ablehnung auf andere, sondern auch eine Projektion des inneren Verlassenseins.
Das verlassene innere Kind hat ständig Angst davor, Unrecht zu haben, weil es glaubt, dass die Reaktion darauf Ablehnung sei. Deshalb kämpft es darum, immer »das Richtige« zu tun. Es wird süchtig nach Vorschriften und Regeln, um sich vor Ablehnung weitgehend zu schützen. Es strebt danach, perfekt zu sein und glaubt, dass das möglich sei. Perfektionismus und die Angst vor dem Irrtum sind Symptome der inneren Trennung zwischen Erwachsenem und Kind.
Da das innere Kind sich so schmerzhaft leer, einsam und allein fühlt, wenn der innere Erwachsene ihm nicht hilft, mit der Einsamkeit des äußeren Verlassenwerdens umzugehen, entwickelt es ein Suchtverhalten, um diese Leere wieder zu füllen. Dieses verletzte, verlassene innere Kind überlebt die Demütigungen und Schmerzen, die ihm von seinen ersten Bezugspersonen zugefügt wurden, indem es von verschiedenen Dingen und Verhaltensweisen abhängig wird. [...] Das innere Kind kann abhängig werden von Fernsehen, Arbeit, Sport, Schlaf, Macht, Geld, Geldausgeben, Glücksspiel, Ladendiebstahl, Studium, Klatsch, Telephonanrufen, Meditation, Religion, aufregenden Ereignissen, Gefahr, sozialem Ansehen, Sorgen, Grübelei und sogar von Unglück und Depression als Mittel, die innere Leere zu füllen. Das innere Kind versucht mit Hilfe der Sucht, sich eine Fluchtmöglichkeit aus dem Schmerz des äußeren und inneren Alleinseins und der Einsamkeit im Zusammensein mit anderen zu verschaffen.
Darüber hinaus kann das Kind abhängig werden von Beziehungen, Sex, romantischen Affären, Liebe und Bestätigung. Jedes Kind braucht Bestätigung. Wenn es die Bestätigung nicht vom inneren Erwachsenen bekommen kann, bleibt ihm nur die Möglichkeit, Liebe und Bestätigung bei anderen zu suchen. Das Gefühl, in Ordnung und liebenswert zu sein, wird, wenn der Erwachsene das innere Kind nicht liebt, von der Bestätigung durch andere abhängig gemacht. [...] Es erkennt dabei nicht, dass der äußere Kontakt zu anderen nicht möglich ist ohne eine innere Verbindung zu sich selbst.
[...] Das bedürftige innere Kind versucht zu kontrollieren, wie die anderen es behandeln und was sie von ihm halten, indem es ihnen Schuldgefühle und Angst einflößt. Die Mittel, die es benutzt, sind Gereiztheit, Ärgerlichkeit, Tadel, schweigender Liebesentzug, Rechthaberei, Wutanfälle, Gewalt, Schmollen, Weinen, Lügen, Besserwisserei, Moralpredigten, Rechtfertigungsversuche, Verhöre und/oder Zerreden von Gefühlen. Das innere Kind, das sich so verzweifelt allein und einsam fühlt, agiert auf der Basis falscher Annahmen. Es sagt sich: »Ich kann bewirken, dass die anderen mich lieben, sehen, hören und bestätigen, Verbindung zu mir aufnehmen und mir mehr von dem geben, was ich mir wünsche. Wenn sie das tun, dann fühle ich mich wohl.« Ein so verzweifelt einsames und verängstigtes inneres Kind ist oft impulsiv und egozentrisch und hat nur wenig Kontrolle über sein Verhalten. Je tiefer die innere Verlassenheit, desto verzweifelter ist das Kind darum bemüht, den Schmerz zu lindern und um so stärker neigt es zu destruktiven und selbstzerstörerischen Handlungen. Es ist sehr wichtig zu erkennen, dass Ihr inneres Kind nicht wirklich so ist, sondern dass es sich so entwickelt hat, weil es äußerlich und innerlich verlassen wurde.
Zwei weitere Mittel des inneren Kindes, Kontrolle auszuüben, sind Anpassungsbereitschaft und Fürsorglichkeit. Das Kind wird zum »braven« Jungen oder Mädchen, indem es die eigenen Bedürfnisse zugunsten der Bedürfnisse anderer beiseite schiebt. Dieses Kind handelt wie ein Erwachsener, indem es die Aufgabe übernimmt, für jedermann alles in die Hand zu nehmen und in Ordnung zu bringen, oder indem es sich übermäßig lieb und verführerisch verhält. Wenn wir uns grundsätzlich anpassungsbereit, fürsorglich und aufbauend verhalten oder wenn wir uns vor Nettigkeit geradezu überschlagen, handeln wir aus einer falschen Überzeugung heraus. Wir sagen: »Ich zähle nicht. Was ich wünsche und fühle ist nicht wichtig.« [...]
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