In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Sonntag, 25. Juli 2010

Vom Aktivieren des göttlichen Kindes in uns, unserer kindlichen Seele, am Beispiel der Jünger des Franz von Assisi



Das Wiedergewinnen der kindlichen Seele ist meines Erachtens ein langer Prozess, eine Entwicklung in vielen Schritten auf sich selbst, auf sein wahres Selbst, den Christus in uns zu; es beinhaltet das Heilen vieler Verletzungen und ein stufenweises, erkennendes Erfahren dieses göttlichen Kindes in uns. Und dennoch kann dieser Prozess in einem entscheidenden Erlebnis oder Augenblick transparent werden, kulminieren.
Julien Green schreibt davon in seinem Buch "Bruder Franz", der Krönung seines Lebenswerkes, seinem letzten Werk.

Dort heißt es über Franz von Assisi und den entscheidenden Moment:

Das Gemurmel der lateinischen Worte unterbricht kaum die Stille der kleinen romanischen Kirche, die verloren mitten im Eichwald steht. Beim Schimmer zweier Kerzen liest der Priester - es ist ein Benediktinermönch - das Evangelium. Franziskus entdeckt während der Lesung die geheimnisvollen Verse. Gleich wird der Mönch ihm ihren Sinn erklären. Der entscheidende Augenblick ist gekommen. Die Messe ist aus, die Kerzen erlöschen, die Tür steht offen, Franziskus macht sich auf den Weg. (...) Von diesem Augenblick an war Franziskus ein anderer Mensch. Alle Theologen der Welt wären außerstande, diese innere Wandlung zu beschreiben, die sich unserer klassischen Psychologie entziehen. Franziskus machte in sich Platz für Christus.

Im Folgenden zitiere ich eine Passage aus Julien Greens Buch über den Heiligen von Assisi, die - bitte nicht vorweg spickeln - mit einem Satz endet, der so bedeutend ist, dass er zum zentralen Satz, zum Dreh- und Angelpunkt jeder Lebensgeschichte werden kann.
Hier nun der Ausschnitt:

Nach dem allerersten Jünger, der unbekannt blieb, fast wie wenn in dessen erloschenem Bild sich alle, die Franziskus einmal lieben werden, wiederer kennen sollten, war der erste Jünger, der uns bekannt ist, ein reicher Bürger Assisis, Bernardo di Quintavalle. Dieser Mann war Doktor beider Rechte an der Universität Bologna, stammte aus niederem, aber sehr angesehenem Adel, bewohnte ein stattliches Herrenhaus, ein Mann von so vielen Qualitäten, dass sie kaum zu ertragen sind. Seine Bekehrung erfolgte keineswegs plötzlich und wird dadurch interessant. Die Erleuchtung kam, wenn man so sagen kann, mit Zeitzündung.
Franziskus und seine Bekehrung waren Stadtgespräch gewesen und hatten auch Bernardos Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der neue Arme hatte die Schmähreden der Spötter und Zyniker ertragen, keine Beleidigung war ihm erspart geblieben, er war mit Dreck und Steinen beworfen worden und hatte das alles mit unbegreiflicher Demut auf sich genommen, für die jedermann nur Entrüstung oder Verachtung zeigte. Bernardo verfolgte alle diese Dinge mit großer Aufmerksamkeit und stellte sich Fragen. Wenn es sich um einen Heuchler handelte, woher nahm er dann die Kraft, das auszuhalten? Zweifel nistete sich bei ihm ein, und eines Tages bot er aus Mitleid dem armen „Pazzo" ein Obdach in seinem Hause an und bat ihn, mit ihm zu Abend zu essen.
Franziskus nahm die höflich ausgesprochene Einladung an. Es blieb sicher nicht bei dieser einen, und so entwickelte sich nach und nach eine Freundschaft, die sich später, als Franziskus zu predigen begann, großartig entfalten sollte. Aber wie vorsichtig war Bernardo di Quintavalle damals noch. Er war kein Mann, der sich leicht auf etwas einlässt. Die Stimmung im Volke schlug wie so häufig um, und aus der feindseligen Haltung gegen Franziskus wurde Respekt, schließlich Schwärmerei und fast so etwas wie Liebe.
Wie sollte man da noch klar sehen? Bernardo hatte ohne Zweifel lange Gespräche mit „seinem" Armen geführt, und dieser redete aus tiefstem Herzensgrund und mit einer umwerfenden Aufrichtigkeit, aber dennoch . . . Nichts leichter, als ins Schwärmen zu geraten und wortreich und ohne böse Absicht von sich selber ein schmeichelhaftes und sogar erbauliches Bild darzubieten . . .
Bernardo di Quintavalle, ein ernster Mann, älter als Franziskus, wollte sich ein eigenes und mit dem Verstand gewonnenes Urteil über seinen Gast bilden und nahm kurz nach der ersten Predigt von Franziskus in San Giorgio Zuflucht zu einer frommen List, die auf den ersten Blick befremdet, durch das Endergebnis aber gerechtfertigt wird. Wenn Franziskus bei ihm schlief, ließ er ihm gewöhnlich ein Bett in seinem eigenen Zimmer herrichten, wo stets ein Nachtlicht brannte.
Von Natur aus neugierig, misstrauisch und ein auf merksamer Beobachter, hielt er sich für besonders geeignet, endlich die ganze Wahrheit über Franziskus zu erfahren. Er wartete erst eine Zeitlang, und dann stellte er sich schlafend. Manche Leute horchen an der Tür oder schauen durchs Schlüsselloch. Das ist eine unerschöpfliche Informationsquelle, die beste, wie ein englischer Romanschriftsteller sagte. Bernardo dagegen fand ein anderes Mittel, er fing an zu schnarchen und sah dann, wie Franziskus aus dem Bett schlüpfte und niederkniete, die Augen zum Himmel richtete, die Hände emporhob und zu flüstern begann: „Gott! Mein Gott!" Beim milden Schein der kleinen Lampe betrachtete Bernardo den durch Kasteiungen schon gezeichneten Körper des Mannes. Unter dem groben Gewand, das er nie ablegte, war nicht mehr viel vom ehemaligen „König der Jugend" zu entdecken. Jetzt hörte er wieder diese erstickten Rufe, die nur an Gott gerichtet und für keine anderen Ohren bestimmt waren. Wie Hammerschläge trafen sie die Brust des indiskreten Zeugen. Was er hörte, war ein Zwiegespräch der Liebe, wobei die Antwort im Anruf selber lag. Der Ruf der Liebe des Menschen zu Gott vereinigte sich mit dem Ruf der Liebe Gottes zum Menschen. Die Welt versank, und über diesem Einswerden lag der Schauder eines Mysteriums. „Ich liebe dich" sprachen gemeinsam das Geschöpf und sein Schöpfer, eins geworden und miteinander verschmolzen. Es war zum Fürchten. „Gott!" wiederholte Franziskus immer wieder wie in einem Rausch.
Das dauerte bis Tagesanbruch. Weder Franziskus noch sein Gastgeber hatten ein Auge zugetan, aber Bernardo spürte, wie sich in seinem Innern eine Wandlung vollzog. Am Morgen machte er mit Worten, die uns überliefert sind, Franziskus folgende Erklärung: „Ich habe in meinem Herzen den festen Entschluss gefasst, der Welt zu entsagen und dir in allem zu folgen, was auch immer du befehlen wirst."
Eine erstaunliche Bekehrung, noch erstaunlicher als die des Franziskus, die langwierig und mühsam gewesen war, Zweifeln und Schwankungen unterworfen. Er war vor dieser Liebe geflohen, war hingerissen zu ihr zurückgekehrt und hatte sich von neuem von ihr abgewandt und endlich nach ehrlichem Ringen die Waffen gestreckt. Bernardo ergab sich wie ein Kind beim ersten Schlag. Dieser reiche Mann von Stand warf alles weg und legte seinen Willen in die Hände eines armen Unwissenden, der nichts anderes kannte als Gott allein.
Und plötzlich war nicht mehr er, sondern war Franziskus vorsichtig; denn der vertrat die Ansicht, dass man über eine so ernste und schwierige Entscheidung nachdenken müsse. Das Beste würde sein, Rat einzuholen. Aber bei wem? Nur beim Herrn selber, der ihm im Evangelium seinen Willen kundtun würde. Und wie sollte das geschehen? Man würde das Evangelienbuch dreimal an irgendeiner Stelle auf schlagen, wie es der Zufall wollte. Ein solches Buchorakel war im Mittelalter gang und gäbe, und es ist auch heute nicht außer Gebrauch.
Ein Freund von Bernardo di Quintavalle, Jurist wie er, aber weniger vermögend, Pietro di Cattaneo, Domherr an der Kathedrale, wie einige Texte sagen - aber höchstens ehrenhalber, - denn man findet im Kirchenbuch der Kathedrale seinen Namen nicht unter den Kanonikern dieser Jahre -, Pietro di Cattaneo also äußerte den Wunsch, sich ihnen anschließen zu dürfen, als sie nach San Nicolò, der nächstgelegenen Kirche, gehen wollten. Dort hörten sie die Messe, und als die Kirche leer war, baten sie den Priester um Erlaubnis, in dem auf dem Pult verbliebenen Evangelium nachschlagen zu dürfen.
Beim ersten Aufschlagen des Buches stießen sie auf den Vers des heiligen Matthäus: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben" (Mt 19, 21). Eine wesentliche und klare Aussage, die keinen Vorbehalt zuließ. Beim zweiten Mal gab das Buch die notwendigen Erklärungen dazu: „Nehmt nichts mit auf den Weg, weder einen Stab noch eine Tasche, weder Schuhe noch Geld..." Es war der nämliche Vers des heiligen Lukas (Lk 9, 3), den der Benediktiner damals in der Portiunkula Franziskus erklärt hatte; diese Wiederholung dürfte eine ungeheure Wirkung auf ihn gehabt haben. Das betraf die praktische Ausführung. Schließlich, beim dritten Mal, erfolgte der schwierigste, um nicht zu sagen unmöglichste Rat: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Lk 9, 23). Hier verlassen wir den irdischen Bereich und berühren den des Absoluten. Selbstverleugnung als höchster Reichtum, eine Forderung von tyrannischer Härte.
Mit einer Begeisterung sondergleichen verkündete Franziskus nun sein Ideal: „Das ist unser Leben, das ist der Rat, den Christus uns gibt, das ist unsere und die Regel aller, die mit uns kommen wollen."
Wenn wir Franziskus' Begeisterung bewundern, wie er im Evangelium etwas entdeckt, was er zweifellos schon hundertmal, aber nur mit halbem Ohr gehört hatte, so sind wir nicht weniger betroffen von der Bescheidenheit und Demut des Messire Bernardo und des Pietro di Cattaneo, die wie brave Schüler dem einfachen Priester zuhören, wie er ihnen die Verse erklärt, die sie auswendig kennen. Aber mit Franziskus haben sie ihre kindliche Seele wiedergefunden, die ihnen in ihrem weltlichen Leben längst abhanden gekommen war.


* Um nichts anderes geht es als um das Finden unserer kindlichen Seele *
Wir finden sie auch in unserer alltäglichen Welt 

Montag, 19. Juli 2010

In Deutschland ist es im Moment auf jeden Fall günstiger, als Aktie auf die Welt zu kommen denn als Kind.


In Baden Württemberg naht die Zeugnisausgabe, in anderen Bundesländern sind Familien schon friedlich vereint in den Ferien. Mit den Zeugnissen verbinde ich so manche erschütternde Szene. Ich erinnere mich, dass ich als junger Lehrer - die Klasse hatte den Raum schon verlassen - das Zimmer abschließen wollte. Wenn da nicht noch die 11-jährige Anne an ihrem Ranzen herumgenestelt hätte.


Anne, Jan, Klara, Bettina, Tobias und wie sie alle heißen ...


„Ist was mit Dir, Anne?“ - „Nein!“ - „Irgendwas ist doch ...“ - „Nein, es ist nichts.“ - „Anne, Du musst mir nichts ...“ - „Auf einmal flossen die Tränen in Sturzbächen und das Kind weinte haltlos ... mit ihrem Schluchzen kam ihr ganzes Elend aus ihr heraus:“Meine Eltern wollen sich trennen!“ - Die Eltern hatten ein großes Geschäft in der Innenstadt ... Für Anne würden die Ferien schrecklich sein; kein Halt, keine Ablenkung mehr in der Schule, kein Zusammensein mehr mit Freunden; nur noch Unglück zu Hause ... zu viel für diese kindliche Seele ...


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