In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Ein Kind zu schlagen: für einen Lakota eine unvorstellbare Graumsamkeit

Wenn man die folgenden Sätze liest, kann man davon ausgehen, dass Lakota auch auf innere Schläge verzichteten. Denn:
Heute schlagen viele Eltern ihre Kinder nicht mehr physisch, oft aber sind Schläge durch Worte oder durch Blicke genauso schlimm.
Und weil Kinder dieses Verhalten oft nicht als Züchtigung einschätzen können, sondern als normal empfinden, haben sie kein Bewusstsein davon, dass sie in ihrer Kindheit vielfach geschlagen worden sind.
So makaber es ist:
Da können physische Schläge für die Entwicklung eines Menschen weniger schlimm sein; denn ein solches Kind weiß, dass es geschlagen worden ist und kann das Geschehen als Erwachsener aufarbeiten.
Klar, dass Schläge, ob innere oder äußere, in jedem Fall eine Kinderseele grausam quälen.
Wie viele Menschen aber gibt es, die von ihrer glücklichen Kindheit erzählen und dass sie nie geschlagen worden seien, dabei weist der Rücken ihrer Seele viele blaue Flecken auf, Flecken, die sich oft als dunkle Seiten unseres inneren Kindes nieder"schlagen".
Hier nun dieser wundervolle, friedvolle Text:


Im Stamm der Lakota war jeder gern bereit, Kinder zu betreuen. Ein Kind gehörte nicht nur einer bestimmten Familie an, sondern der großen Gemeinschaft der Sippe; sobald es gehen konnte, war es im ganzen Lager daheim, denn jeder fühlte sich als sein Verwandter.  Meine Mutter erzählte mir, dass ich als Kind oft von Zelt zu Zelt getragen wurde und sie mich an manchen Tagen nur hie und da zu Gesicht bekam. Niemals sprachen meine Eltern und Verwandten ein unfreundliches Wort zu mir, und niemals schalten sie mich, wenn  ich etwas falsch gemacht hatte. Ein Kind zu schlagen, war für einen Lakota eine unvorstellbare Grausamkeit.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             aus Weißt Du, daß die Bäume reden. Herder-Verlag


Als ich heute diese Sätze von Luther Standing Bear, der in seinen Schriften die Freundlichkeit seines Volkes Kindern gegenüber betont, in einer 6. Klasse als Einstimmen auf den Unterricht vorlas, meldeten sich viele zu Wort, und es gab auch die Meinung, dass man doch ein Kind auch schimpfen müsse, wenn es etwas ausgefressen habe.
Schwierig für manche Kinder zu verstehen, dass es eine Klarheit in Liebe gibt, die mindestens genauso wirkungsvoll Maßstäbe setzen kann.
Wir reden zwar gern von der Liebe, aber wir glauben nicht an die Macht der Liebe und ihre erzieherische Kraft. Selten haben wir das in unserer Kindheit selbst erlebt. Für meine Kindheit jedenfalls gilt dieses "selten". Entweder ich sah etwas freiwillig ein oder mir wurde es eingesehen. Manchmal, ja des Öfteren auch mit Schlägen.
Astrid Lindgren hat in ihrer bemerkenswerten Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandles herrlich aufzeigen können, wie Gewalt durch Erkenntnis, Verständnis und Liebe entmachtet werden kann.
Die Sätze Luther Standing Bears erinnern mich auch an die Kahlil Gibrans zu den Kindern.
Wie schön, wenn für Kinder sich ihre Welt so vertrauensvoll öffnet.
Wie sagt man in Afrika dem Sinn nach: Es bedarf eines ganzen Dorfes, um ein Kind zu erziehen.
Es gibt Gegenbeispiele, in denen Kindern dieser vertrauensvolle Zugang zum Leben fehlt - mit entsprechenden Folgen womöglich für ein ganzes Leben.
Gerade deshalb sind wir gehalten, an einer Welt des Vertrauens und der Liebe mitzuarbeiten und gerade auch uns selbst Fehler und Rückschläge zu verzeihen, um der Strenge ihre Macht und Verfügungsgewalt über uns zu nehmen; nur dann können wir uns auf neue Weise verhalten.

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