In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Samstag, 7. Dezember 2013

... noch immer hört´ ich, mühsam, wie es schien: / „Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn´ Unterlass – Nicht, dass ein verlorenes inneres Kind uns noch einmal verloren geht - endgültig ...


Manchmal blitzt etwas aus dem Unbewussten auf – manchmal ist es genauso schnell wieder weg, wie es gekommen ist, es sei denn, es gelingt uns, sofort den Fokus darauf zu richten, was sich da zeigt.

Das ist bei Träumen der Fall, bei Einfällen, bei Bildern aus dem Unbewussten.

In uns haben wir viele verletzte Kinder, die sich kaum zeigen; doch es gibt glückliche Momente, da treten sie aus dem Dämmer des Unbewussten heraus.

Davon erzählt ein Gedicht Theodor Storms (1817-1888), überschrieben Weihnachtsabend.

Niemand käme darauf, es mit einem inneren Kind von uns in Verbindung zu bringen. Doch ich finde, es erzählt von einem und einer möglichen Begegnung.

Wer diesen Blog verfolgt, weiß ja, dass ich die äußere Realität für einen Spiegel unserer inneren halte - nicht 1:1, aber doch einer ganz ähnlichen inneren Realität vergleichbar - und das öfter, als wir denken:



Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, 
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war´s; durch alle Gassen scholl 
der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
drang mir ein heiser Stimmlein an das Ohr: 
„Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt 
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein bleiches Kinderangesicht; 
wes Alters und Geschlecht es mochte sein, 
erkannt ich im Vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört´ ich, mühsam, wie es schien: 
„Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn´ Unterlass; 
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn. 

Und ich? - War´s Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? 
Eh meine Hand zu meiner Börse kam, 
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind. 

Doch als ich endlich war mit mir allein,
erfasste mich die Angst im Herzen so, 
als säß´ mein eigen Kind auf jenem Stein 
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh. 


Mögen wir, gerade an Weihnachten, da sich uns unser wunderbares inneres Kind zeigen will, dieses unser Kind wahrnehmen, ich meine, das in unserer inneren Stadt - und das in unserer inneren Krippe.
Es sind zwei innere Kinder, die sich aufeinander zubewegen wollen!