In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Sonntag, 18. Mai 2008

Verletzungen - die dunklen Seiten unseres inneren Kindes

Vor vielen Jahren erzählte mir eine auf mich sehr resolut wirkende Mutter einmal über ihr Verhältnis zu ihrem eher stillen Jungen: Dass er manchmal in Diskussionen türknallend das Zimmer verlasse, sie dann aber nach einer Weile wieder darüber sprechen könnten und ihr Junge Einsicht zeige … so sei er nun auch wieder, mal zwar ein bisschen rebellisch, dann aber doch wieder einsichtig.

Es gibt eine Art von Erziehung, die vermittelt dem Betrachter von außen das Gefühl, der Umgang von Eltern mit ihren Kindern bestehe vor allem aus psychologischem Management von Seiten der Erwachsenen. Wie scheinbar geschickt sich doch hier die Mutter verhält! Und wie sie es zustande bringt, immer im Gespräch zu bleiben und ein zur Einsicht fähiges Kind zu erziehen! –
Leider ist diese "Einsicht" vermutlich gepaart mit einem Minderwertigkeitsgefühl des Jungen, vor allem gegenüber Frauen.

Ich erinnere mich, dass ich damals ziemlich deutlich STOP sagte, weil ich es nur schwer ertrug, wie sehr diese Mutter das vermutliche Empfinden ihres Kindes überging und wie sehr sie von der Qualität ihrer Erziehung überzeugt war.

Niemand knallt einfach so eine Tür zu. Natürlich kann Türzuknallen ganz unterschiedliche Gründe haben und ich will auch keinen pubertierenden Jungen ungerechtfertigterweise in Schutz nehmen.

Aber ich sagte der Mutter: Könnte es auch sein, dass Ihr Junge sich gegen ihre geballte Routine, Erfahrung und Überlegenheit nicht anders mehr zu helfen wusste, als türknallend den Raum zu verlassen? Könnte es nicht sein, dass Sie sich anders hätten verhalten müssen? Könnte es sein, dass Sie Ihren Jungen so an die Wand gedrückt haben, dass ihm in Ihrer Gegenwart die Luft ausging?

Und was bedeutet es dann, wenn solch ein Junge zurückkommt und Einsicht zeigt, Einsicht zeigen muss?! Um nicht die Liebe der Mutter zu verlieren oder das, was sich Liebe nennt?! Wenn er auch noch für diese Einsicht, die ihm womöglich zutiefst zuwider ist, Lob erhält?!
Was macht er mit jenem Teil in sich, der nach Gerechtigkeit und Wahrheit schreit? -
Er spaltet ihn ab; er verdrängt ihn; dann muss er ihn nicht mehr sehen.

Solche Situationen sind es, die in Kindern und Jugendlichen einen verletzten inneren Teil abspalten. Stephen Wolinsky spricht in seinem Buch Die dunkle Seite des inneren Kindes von Trancezuständen.

Dieser verletzte, abgespaltene Teil wird sich in bestimmten Situationen dieses Jungen Jahre später aktivieren, und die Frau, die ihm dann gegenübersitzt – vielleicht seine Ehefrau -, wird nicht verstehen, warum ihr Mann türknallend den Raum verlassen wird … und warum das womöglich immer wieder passiert … manche mögen das Gefühl haben, ihr Partner reagiere dann wirklich wie in Trance …

Wenn jene Ehefrau in einem Film sehen könnte, was bei dem/ihrem Mann zu dieser Verletzung geführt hat, könnte sie verstehen, warum er so reagiert: Er kann nicht anders, wenn diese Verletzung aktiviert wird, wenn also bestimmte Auslösefaktoren da sind, die ihn an frühere Situationen erinnern, reagiert er wie in Trance und ist dann in dem Alter, in dem jene Verletzungen stattfanden – er ist dann nicht 38 Jahre, sondern 15 – und im Grunde ist er dann auch nur auf dieser Altersebene ansprechbar.

Schlimm für den Jungen oben ist, dass er zu Kreuze kriechen muss, dass er Einsicht zeigen muss, obwohl alles in ihm schreit: Mir geschieht Unrecht, ich darf nicht sagen, was ich möchte … sonst ist sie mir böse …

Die Mutter ist die erste Frau im Leben jedes jungen Mannes – und sie prägt sein Verhältnis zu allen Frauen in seinem Leben … das ist die Realität … und diese Mutter ist keine schlechte Mutter … sie verhält sich so, weil auch mit ihr so umgegangen worden ist … nur:
Wie wirkt sich das Verhältnis des jungen Mannes zu seiner Mutter auf sein Lebensglück, auf eine zukünftige Beziehung aus?

Die Fallbeispiele in der entsprechenden Literatur und meine eigene Geschichte zeigen mir: Solche und vergleichbare Fälle gibt es viele.

Und es wird Zeit, über sie zu sprechen, nicht, um irgendjemand an den Pranger zu stellen, sondern um zu sensibilisieren, damit alte Verletzungen geheilt und, wo es geht, neue vermieden werden können.
Dann können wir peu à peu zu einer Praxis kommen - auch im Übrigen gegenüber unseren inneren Kindern, wie sie
Krishnamurti vorgegeben hat.


2 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

:-)
Ich musste erst mal schlucken, mich machen solche Berichte traurig. Ich sehe mich dann als Kind mit all den Erfahrungen, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin. Und ich sehe mich als Mutter, mit so guten Vorsätzen und eben doch fehlbar. Deshalb sind Männer/Väter so wichtig! Es ist wie ein Schiff mit Schlagseite. Wenn 2 drinsitzen, ist die Fahrt nicht ganz so einseitig und stürmisch.
Lieben Gruß
Claudia

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Ja, man kann sich die Situationen und Bedingungen nicht immer aussuchen. Aber für die Kinder und uns gilt für mich der Leitspruch: >Miteinander wachsen<.
Versuchen, ein liebevoller Erwachsener zu sein, wie im ersten Beitrag von Chopich/Paul ausgeführt und sich selbst möglichst so zu lieben, dass man sich "Fehler" verzeiht - ich glaube, davon lernen Kinder, die wir begleiten, sehr viel für ihr Leben - und unsere inneren auch :-))
Liebe Grüße