In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Sonntag, 30. Oktober 2011

Wir als liebevoller Bär, als weise Zauberin: Wie man sein kostbares inneres Kind wiedergewinnt!


Ich erinnere mich an eine Kollegin, die mir vor vielen Jahren erzählte, dass sie sich manchmal, wenn es ihr schlecht gehe, ins Bett legt, ihr kleines Bärli nimmt und sich daran kuschelt.
Heute verstehe ich, was sie gemacht hat, im Grunde das einzig Richtige: Mit ihrem Bärli hat sie ihr verletztes inneres Kind zu sich gezogen, es angenommen und als Erwachsener getröstet.
Bei ihr geschah das sicherlich fast automatisch, dass ihr Inneres wusste, dass das augenblickliche Trauma eine alte Verletzung ihrer Kindheit aktualisiert. Meistens sind ja Verletzungen Traumen aus unserer Vergangenheit, die genau diese Verletzung wieder bluten lassen, die einst blutete.
Und Verletzungen, die an Stellen stattfinden, die schon einmal offen waren, heilen schlechter, das wissen wir.
Im Grunde war sie ja selbst dieses verletzte innere Kind. Aber indem der Erwachsene dieses innere Kind als Bärli angenommen hat, hat sie ihm auf der unbewussten Ebene den Trost gegeben, den es brauchte - und damit sich selbst in dieser Situation.
Dann mag der Schlaf gekommen sein und die Zeit hatte Zeit, Wunden zu heilen.

Heilung geschieht nur, wenn wir Gefühle annehmen und möglichst herausfinden, was da aktualisiert wurde.

Gerade wenn wir es nicht wissen, ist die Möglichkeit, sich in Briefen mit dem kleinen ... oder der kleinen Anna, Lisa oder Charlotte auszutauschen, eine unglaublich gute Möglichkeit.
Der Erwachsene kann beginnen und den kleinen Johannes bitten, ihm zu erzählen, was los war.
Oder der oder die kleine ... fangen an zu schreiben, schreiben davon, dass sie so allein sind, niemand da ist, der ...

John Bradshaw schreibt dazu in seinem Buch Das Kind in uns für die Phase des Säuglingsalters (er geht ja in der Folge auch auf die anderen Kindheitsphasen ein):
Stellen Sie sich vor, Sie, der weise, freundliche, alte Zauberer, würden ein Kind adoptieren. Stellen Sie sich vor, das Kind, daß Sie adoptieren wollten, wären Sie selbst als Säugling. Stellen Sie sich weiter vor, Sie müßten diesem Säugling einen Brief schreiben. Säuglinge können natürlich noch nicht lesen, aber glauben Sie mir, es ist trotzdem wichtig, daß Sie diesen Brief schreiben. (Schreiben Sie ihn nicht, wenn Sie das kostbare innere Kind in sich nicht wirklich zurückgewinnen wollen. Ich gehe allerdings davon aus, daß sie das wollen, denn sonst hätten Sie dieses Buch nicht gekauft.) Der Brief braucht nicht lang zu sein, ein paar Sätze genügen. Teilen Sie dem wunderbaren Kind in ihrem Inneren mit, daß Sie es lieben und daß Sie so froh sind, daß es ein Junge beziehungsweise ein Mädchen ist ... Wenn Sie den Brief geschrieben haben, lesen Sie ihn sich langsam ganz laut vor, und achten Sie dabei darauf, was Sie dabei empfinden. Es ist nicht schlimm, wenn Sie sich dabei traurig fühlen, und Sie sollten ruhig weinen, wenn Ihnen danach zumute ist.
Mein Brief sah so aus:
Lieber kleiner John,
ich bin so froh, daß Du auf die Welt gekommen bist. Ich liebe Dich und ich möchte, daß Du immer bei mir bleibst. Ich freue mich, daß Du ein Junge bist, und ich will Dir helfen, großzuwerden.
Ich wünschte mir, man würde mir die Chance geben, Dir zu zeigen, wieviel Du mir bedeutest.

Die weise Zauberin oder - wie in meinem Bild - der Erwachsene als liebevoller Bär, die wir sind, haben diese Möglichkeit. Wir müssen uns nur das Recht und uns selbst in die Pflicht nehmen, erwachsen zu sein und unser inneres Kind zu nehmen, wie es ist ... ohne Wertung.
Vergessen wir nicht, wie oft wir bewertet worden sind und wie oft uns das verletzt hat. Diese Angst dürfen wir unserem Kind nehmen.
Und uns!
Dann bekommt unser inneres Kind wieder Flügel.
Und wir!

3 Kommentare:

Al Scott hat gesagt…

Guten tag,

per zufall bin ich auf ihre Seiten gestoßen, nach dem ich ein paar Artikel gelesen habe, weiß ich jetzt warum.

Sie leisten hier großartige Arbeit. Ich freue mich darauf, weiter in ihrem Blog zu Lesen und einiges bei mir selbst anzuwenden.

Liebe Grüße

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Hallo Al,
danke für den lieben Kommentar. Leider komme ich ja nicht so oft dazu, etwas zu schreiben, aber bis Weihnachten wird´s schon nochmal klappen :-))
Ich hab mal auf Ihrer Seite gespickelt und da einen Barfußläufer gefunden ...
In dem Zusammenhang kam mir natürlich als Markus-Zusak-Fan in den Sinn: Es gibt in dessen Buch "Der Joker" eine reizende Episode im Zusammenhang mit einer Barfußläuferin, Sophie heißt sie. Ed, der Protagonist des Buches, hat auch bei ihr eine Aufgabe zu erfüllen ...
Wenn Sie mal Lust auf ein tolles Buch und Zeilen voller Einfallsreichtum und sanfter Zärtlichkeit haben ... > Der Joker!
Liebe Grüße,
Johannes

Al Scott hat gesagt…

Hallo Johannes,

danke für den Tipp! :0)