In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Montag, 28. Juli 2008

Unio mystica: Im Kind sind Gott und Mensch vereint.

Es ist für uns wichtig zu verstehen, dass das Bedürfnis, das Kind zu finden, Teil einer uralten Sehnsucht des Menschen ist. Hinter unserer individuellen Vergangenheit liegt unsere kulturelle, die aus Mythen besteht. Und in den Mythen erkennen wir, dass das Kind oft der Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttlichen entspringt. Wir suchen sowohl das mythische Kind […] als auch das Kind unserer persönlichen Lebensgeschichte.

Rahel V. (zitiert nach J. Bradshaw, Das Kind in uns)


In der Phantasie und in den Mythen ist die Heimkehr ein dramatisches Ereignis: Die Musik spielt, ein Kalb wird geschlachtet, ein Bankett vorbereitet und alle freuen sich, dass der verlorene Sohn heimgekehrt ist. In Wirklichkeit endet das Exil oft ganz allmählich, ohne dramatische äußere Ereignisse. Der Dunstschleier verschwindet und die Welt wird wieder sichtbar. Aus dem Suchen wird ein Finden, aus der Unruhe Zufriedenheit. Nichts hat sich verändert und doch ist alles anders.

Sam Keen

Für Gott bleiben wir immer seine Kinder; und doch dürfen wir endlich erwachsen werden …

findet Johannes

„Auf welchen Planeten bin ich gefallen?", fragte der kleine Prinz.
„Auf die Erde, du bist in Afrika", antwortete die Schlange.
„Ah! ... es ist also niemand auf der Erde
?"
„Hier ist die Wüste. In den Wüsten ist niemand. Die Erde ist groß", sagte die Schlange.
Der kleine Prinz setzte sich auf einen Stein und hob die Augen zum Himmel:
„Ich frage mich", sagte er, „ob die Sterne leuchten, damit jeder eines Tages den seinen wiederfinden kann. Schau meinen Planeten an. Er steht gerade über uns ... Aber wie weit ist er fort!"
„Er ist schön", sagte die Schlange. „Was willst du hier machen?"
„Ich habe Schwierigkeiten mit einer Blume", sagte der kleine Prinz.
„Ah!" sagte die Schlange.
Und sie schwiegen.
„Wo sind die Menschen?" fuhr der kleine Prinz endlich fort. „Man ist ein bisschen einsam in der Wüste ..."
„Man ist auch bei den Menschen einsam", sagte die Schlange.
Der kleine Prinz sah sie lange an:
„Du bist ein drolliges Tier", sagte er schließlich, „dünn wie ein Finger ..."
„Aber ich bin mächtiger als der Finger eines Kö­nigs", sagte die Schlange.
Der kleine Prinz musste lächeln:
„Du bist nicht sehr mächtig ... Du hast nicht einmal Füße ... Du kannst nicht einmal reisen ..."
„Ich kann dich weiter wegbringen als ein Schiff", sagte die Schlange.
Sie rollte sich um den Knöchel des kleinen Prinzen wie ein goldenes Armband.
„Wen ich berühre, den gebe ich der Erde zurück, aus der er hervorgegangen ist", sagte sie noc
h. „Aber du bist rein, du kommst von einem Stern ..."
Der kleine Prinz antwortete nichts.
„Du tust mir leid auf dieser Erde aus Granit, du, der du so schwach bist. Ich kann dir eines Tages helfen, wenn du dich zu sehr nach deinem Planeten sehnst. Ich kann ..."
„Oh, ich habe sehr gut verstanden", sagte der kleine Prinz, „aber warum sprichst du immer in Rätseln?"
„Ich löse sie alle", sagte die Schlange.
Und sie schwiegen.

aus Antoine de Saint-Exupéry, DER KLEINE PRINZ
das Bild entstammt der Heyne-Sonderausgabe, Zürich 1988

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