In diesem Blog veröffentliche ich Buchauszüge, Gedichte und eigene Gedanken zum Thema des inneren Kindes und des Kindseins überhaupt.
Eigentlich haben wir viele innere Kinder in uns: solche voller Energie, aber auch verletzte und sterbende Kinder, die wieder zu wirklichem Leben erweckt sein wollen ...
Ohne lebendige innere Kinder sind Erwachsene ohne wirkliche Individualität und oft nicht fähig zu spielen und kreativ zu sein ... Wie also die Kinder in uns wahrnehmen, wie mit ihnen umgehen?

Freitag, 23. Mai 2008

Innere Kinder können eine Schreckensherrschaft ausüben

Die Gedanken, die Eltern und Lehrer denken anlässlich von Kinderaussagen, seien es Bitten, Forderungen oder Proteste, seien es Wünsche oder Vorschläge, sind oft nicht eigene Gedanken. Ohne dass wir es wissen, laufen wir Gefahr, die Spurrillen auf der erzieherischen Platte unserer Eltern und Vorfahren fortzusetzen.

"Kann ich ein Eis haben", fragt die Tochter die Mutter (und es ist knalleheiß in der Innenstadt …)
"Ja, okay, es ist ja wirklich heiß."
Die Tochter freut sich.
"Aber dann gibt´s heute keins mehr", fügt die Mutter noch hinzu.

Das sind nicht wirklich die Gedanken der Mutter, die eigentlich ihrer Tochter ohne Einschränkung eine Freude gönnt.
Es sind die Worte, die sie zu hören bekommen hat, als sie Kind war. Und es ist ein machtvolles traditionelles Gebot, Kindern immer Schranken setzen zu müssen, damit es ihnen nicht zu gut geht. Sie könnten ja sonst ständig weiter etwas wollen oder fordern.

Beobachten wir unsere Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, wenn wir Verhalten von Kindern interpretieren, einordnen, bewerten. Sie haben oft wenig mit der Realität des Kindes, dem wir aktuell begegnen, zu tun, wenig mit der aktuellen Beziehung zwischen Mutter und Tochter, sondern mit Gedanken, die sich aus der Vergangenheit der Mutter bzw. unserer ergeben..
Indem die Gedanken weiter in den Spurrillen der Vergangenheit der Mutter und ihren kindlichen Erfahrungen laufen, werden sie tatsächlich zur Wirklichkeit in ihrer Beziehung zu ihrer Tochter.

Auf der anderen Seite können die johlenden, kreischenden Kinder, die vier Stunden lang in Nachbars Garten herumtollen und allen Anwohnern auf die Nerven gehen, die johlenden, kreischenden Kinder unseres eigenen Inneren sein. Da ist kein Erwachsener, der sagt: "Nun kommt herein, die Nachbarschaft braucht mal eine Ruhepause" … oder es ist kein Erwachsener da, der mit ihnen vereinbart, mal eine halbe Stunde oder Stunde leise zu sein oder für eine Stunde Richtung Wald zu gehen.

Viele Erwachsene lassen Kinder tun oder lassen, was sie wollen, sei es im Lokal, im Zug oder im Kaufhaus, alles darf angefasst werden, dem Kind wird kein Ein-Halt geboten, es bekommt keinen Halt in Bezug auf angemessenes Ver-Halt-en.

Da steckt kein erzieherisches Konzept dahinter, sondern eine Flucht vor den eigenen inneren Kinder, die sich auch so aufführen; bevor man sich mit ihnen auseinandersetzt, lässt man lieber die realen Kinder wider bessere erzieherische Vernunft sich wie oben geschildert verhalten.

Es gibt genug Erwachsene, die ihren ungebärdigen, jähzornigen inneren Kindern keinen Einhalt gebieten, weil sie nicht wahrnehmen, dass sich Verletzungen in der Kindheit auch so auswirken können, dass der Erwachsene nicht ein reifer, liebevoller Erwachsener wird, sondern unberechenbar bleibt und z.B. bevorzugt im Garten anderer Menschen herumtrampelt.

Nicht wenige Erwachsene werden in Wahrheit kein reifer Erwachsener, weil ständig sich dunkle Seiten ihres inneren Kindes aktivieren.
Dabei wirken sie auf manche andere nach außen interessant; es ist ständig etwas los in ihrer Gegenwart – oder es wird etwas losgemacht.

In Wahrheit kommt ihr Inneres nicht zur Ruhe.
Man erkennt das Wirken solcher verletzten inneren Kindern in Erwachsenen bisweilen daran, dass man sich nie ganz sicher ist, ob nicht irgendwann ein völlig unangemessener Satz kommt, peinlich oder überzogen, einfach daneben ...

Verletzte innere Kinder finden keine Ruhe, bis sie nicht irgendwann liebevoll in den Arm genommen werden und der Erwachsene als Erwachsener mit ihnen spricht.

Das wird kein einmaliger Vorgang sein; Verletzungen brauchen Zeit, um zu heilen.

Nur wenn ein Erwachsener so mit sich und seinem Inneren umgeht, ist er auch in der Lage, überzeugend liebevoll mit seinem realen und anderen realen Kindern umzugehen.

2 Kommentare:

gretelies hat gesagt…

Lieber Johannes,

ich bin so dankbar, deine Blogs gefunden zu haben. Das (mein) Leben wandelt sich, ist wieder in Gang gekommen, ich suche neue Wege, nach geistiger Befriedigung, deine Worte waren/sind ein Schubser den ich sehr gebraucht und unbewußt gesucht habe. Bei mir war Stillstand auf allen Ebenen, abgefunden mit dem was ist, und doch sind Sehnsüchte und Wünsche in mir, die ich jetzt freilasse.

Sei lieb gegrüßt,
Anne (die jeden Tag bei dir reinschaut)

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Liebe Anne,
danke für Deine lieben Zeilen.
Den Stillstand, von dem Du sprichst, kennt wohl jeder, mir jedenfalls ist er auch bekannt; ja, es ist ein schönes Gefühl, wenn unser Leben wieder in Fluss kommt, dann kann man meist auch in seiner eigenen Zeit leben, in der eigenen Gegenwart.
Ich freu mich, wenn der ein oder andere Post Dir Anregung sein kann.
Sei ganz lieb gegrüßt von Johannes